Das Haus in Montevideo

■ »Stadterneuerung in Montevideo« — eine Fotodokumentation

Den fünften Stock der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen zieren eigentlich die blassen Bilder herausgeputzter Bürgerhäuser. Doch in einem Quergang endet jetzt die stuckbeladene Berliner Stadtlandschaft. Die beiden Architekturstudentinnen Kareen Herfeld-Bargas und Susanne Frucht haben dort kontrastreiche Schwarzweißfotos aufgehängt, die Stadterneuerung in Montevideo am Beispiel des Altstadtviertels Barrio Sur dokumentieren sollen.

Stadterneuerung bedeutete im südlichen Viertel der uruguayischen Hauptstadt bis vor einem Jahr, als die neugewählte linke Stadtversammlung erste Straßenzüge unter Denkmalschutz stellte, Abriß und Neubau. Die fast unauffällig schönen Häuser in ihrem geduckten Kolonialstil sind mit RestauratorInnen nie in Berührung gekommen. Die Entstehung des 160 Jahre alten Barrio Sur erklärt diese Vernachlässigung: Grundstücke gab's dort nach der Unabhängigkeit Uruguays 1825 billiger als anderswo in Montevideo — den wohlsituierten Kolonialerben war die Nähe zum städtischen Gaswerk nicht geheuer. Die freigewordenen Sklaven und »Habenichtse« unter den vorwiegend spanischen, italienischen und jüdischen Einwanderern blieben.

»Mein altes Barrio Sur, traurig und sentimental«, klagte schon 1930 ein Tango an: Damals schwang die Abrißbirne über ganze Häuserblocks, um Platz für eine neue Promenadenstraße zu schaffen. Uruguays Militärjunta planierte in den siebziger Jahren aus Prestige: für teure Appartment-Hochhäuser mit Blick aufs Meer. Ihre BewohnerInnen meiden die buntgemischte Arbeiterschicht im Barrio Sur. Der Rat der 1,5-Millionen-Stadt will jetzt sanieren, hat aber kein Geld; das sozialliberale Regierungsbündnis dreht den Hahn nicht weiter auf.

Geld allein würde aber nicht mehr als freundlichere Fassaden im Barrio Sur garantieren — wer hinter ihnen wohnen bleiben kann, das wird wohl auch von der zentralen Traumlage des Viertels am Rio de la Plata beeinflußt werden: Schon jetzt schießen dort statt der Hochhäuser die Bodenpreise in die Höhe.

Während ihres Montevideo-Aufenthaltes im Sommer letzten Jahres — als Studienprojekt von der Carl- Duisberg-Gesellschaft finanziert — zeichneten die beiden Studentinnen auch Entwürfe für den Umbau eines alten Werkstattgebäudes. Im Obergeschoß des 1.600 Quadratmeter großen leerstehenden Hauses im Barrio Sur sollen arbeitslose Jugendliche demnächst Handwerksberufe erlernen. Aus dem Untergeschoß entstehen nach dem Umbau für alle BürgerInnen eine Kantine, eine Wäscherei, Duschräume, ein Versammlungssaal, ein Kindergarten und ein Lagerraum für eine Lebensmittelkooperative. Für den Umbau des Untergeschosses fanden sich Investoren aus Uruguay und Spanien. Die beiden Architekturstudentinnen hoffen, daß sie nun auch das Geld für die Jugendwerkstätten auftreiben können; die Bauarbeiten übernehmen dann die künftigen »Azubis« aus dem Barrio Sur. Damit legen sie die ersten Grundsteine für ihre Maurerausbildung in dem Haus. Mit den Vorbereitungen haben die Bewohner und städtische VertreterInnen im Viertel schon begonnen. Sebastian Bartels

Stadterneuerung in Montevideo im 5. Stock der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, Württembergische Straße 6, bis zum 22. Februar. Spenden an das Habitat- Forum, Berlin, Trabener Straße 22, 1-33.