Der Krieg läßt sich jetzt in die Sendezeit integrieren

■ Das Ende der ARD-Nachtbereitschaft/ Der Trend geht zum Frühstücksfernsehen

Andrea Schmitz aus Wuppertal gibt nachts nicht auf. Die längsten TV- Nächte hat sie gerade hnter sich; der grausige High-Tech-Krieg reduzierte sich für sie zum Fernsehereignis. Zwangsläufig machten ARD und ZDF zunächst auch da Fernsehen, wo sonst Frau Berghoff und Herr Wrobel längst abgewunken hatten: Und fast 1,8 Millionen ZuschauerInnen warteten bis zum Morgengrauen auf den nächsten Spielfilm oder die Neuigkeiten über den Golfkrieg. In den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ist indessen die Meinung verbreitet, nachts passiere nichts Entscheidendes mehr. Oder zynisch gesagt: Der entsetzlich Krieg läßt sich jetzt in die Sendezeit integrieren.

Also folgt auf Nationalhymne und Programmtafeln der Videotext für alle. Das sind ablesbare Meldungen als nächtlicher Teppich für die erste Nachrichtensendung um sechs Uhr morgens. Und einstweilen bleibt es dabei. In ihre Schaltkonferenz haben die ARD-Programmdirektoren am Mittwoch nachmittag nicht nur dies beschlossen, sondern auch noch das Ende der „ARD-Nachtbereitschaft“. Solange es Kämpfe und Tote am Golf gäbe, solange sollte sie drängende Sondersendungen zwischen Programmende und -beginn sichern. Stationiert wäre die „ARD-Nachtbereitschaft“ bei der Anstalt gewesen, die für das Frühinformationsprogramm zuständig ist. Begründet hat die ARD das Aus mit fehlendem Geld für Personal und technischem Aufwand.

Werden ARD und ZDF auf Dauer umhin kommen, auch noch die Nachtlücke zu schließen, um ihre ZuschauerInnen pausenlos zu versorgen? Denn heute schon nutzt jede/r vierte FernsehteilnehmerIn die Nachtprogramme der Privatsender, sagt eine repräsentative Untersuchung der Hamburger Programmzeitschrift 'TV Hören und Sehen‘. Dazu wurden im Ruhrgebiet, in Nürnberg und Hamburg 1.031 Leute befragt. Ergebnis: Schalten die Öffentlich-Rechtlichen ab, sähen sich die einen noch Filme bei Tele5, Pro7 oder Clips bei den britischen Channels wie MTV an. Die zweite ZuschauerInnengruppe sei um diese Zeit zwar müde, wolle aber nichts versäumen; also setze sie den Videorecorder in Gang.

Solche Fernsehgewohnheiten lassen sich dann auch allenfalls mit denen der Amerikaner vergleichen. Andrea Schmitz aus Wuppertal verzichtet sogar eher auf eine Stunde Schlaf als auf eine Stunde Fernsehen, und in ihren Zimmern sammeln sich die ungesehenen Videoaufnahmen der letzten Wochen an. Um solche Varianten des Fernsehkonsums zu vermeiden, sagt Presseprecher Hans Gert Eschweiler, habe RTL plus „bewußt“ auf ein 24-Stunden-Programm an den Werktagen verzichtet: „Die große Masse muß sich auf den Arbeitstag vorbereiten.“ Von Freitag bis Sonntag freut sich das Kölner Haus aber über die nächtlichen TV- Glotzer: Es kommen leicht eine halbe Million zusammen, zwischen vier und sechs Uhr sind es immerhin noch 150.000.

Das beeindruckt jedoch weder die ARD noch das ZDF. Für eine Ausweitung des Programms bestünden keine Überlegungen, sagten die ARD in München und das ZDF in Mainz übereinstimmend. By the way ist jedoch aus dem Golfkrieg ein Frühstücksfernsehen entstanden, das frühmorgens auf die beachtliche Einschaltquote von zehn Prozent kommt. Als Kontrastangebot zu den privaten Sendern schnell aus dem Boden gestampft, trägt es schließlich nur einen anderen Namen als das zur Ruhe gebettete Rias-Frühstücksfernsehen: Frühinformationsprogramm. Karl-Heinz Smuda