Jordaniens prekäre Lage

Bombardierung der Tankwagen im Irak bedroht nicht nur die eigene Versorgung, sondern macht auch die Abhängigkeit vom guten Willen der Nachbarn deutlich  ■ Aus Amman Mariam Shahin

In Jordanien schlagen die Wellen der Empörung hoch, seit die US-Luftwaffe Tanklastwagen auf der Straße Bagdad-Amman angegriffen hat und es im Haschemitenreich die ersten Toten gab. Diese Empörung ist auch der Hintergrund für einen Zwischenfall an der jordanisch-syrischen Grenze, wo am Mittwoch 500 jordanische LKW-Fahrer in der Nähe des Übergangs Ramtha sechzig syrische und türkische Transporter angriffen, mit Steinen die Fenster der Lastwagen einschlugen und einen Teil der für Saudi-Arabien bestimmten Lebensmittel ausluden. Saudi-Arabien hat die Grenze für Jordanier geschlossen, da Jordanien die multinationalen Truppen nicht unterstützt. Auch die Ölzufuhr wurde gestoppt.

Mit der Bombardierung von 36 jordanischen Tankwagen auf der Strecke Bagdad-Amman, die bei den verbündeten Militärs inzwischen „Scud-Allee“ genannt wird, hat der Bevölkerung schlagartig klargemacht, daß sie möglicherweise bald völlig auf irakisches Öl verzichten müssen. „Wir können nätürlich nicht auf dieses Öl verzichten, weil wir keine Alternative haben,“ erklärte Kronprinz Hassan kürzlich. Anschuldigungen der USA, Jordanien würde das UN-Embargo brechen, wies er zurück: „Das Sanktions-Komitee (der UN, d. Red.) weiß über die Öllieferungen Bescheid. Es hat bereits im September eine Kommission geschickt, um alternative Quellen zu suchen. Das ist bis heute ohne Ergebnis geblieben.“

Die jordanische Wirtschaft wird von der Schließung der Grenze zu Saudi-Arabien und der Angriffe auf die Tankwagen hart betroffen. In den letzten Monaten importierte der Irak täglich 50.000 Barrel Rohöl aus dem Irak, doch seit Beginn der Bombardierungen ist die Zahl auf ganze 5.000 gesunken. Maßnahmen zur Rationierung des Öls wurden bereits am 5. Januar getroffen. Damit soll der inländische Verbrauch um ein Drittel reduziert werden. Dazu kommt, daß über vierzig Prozent der jordanischen Waren vor dem 2. August in den Irak exportiert wurden, weitere fünfzehn Prozent an Kuwait, der Rest vornehmlich an Saudi-Arabien und andere Golfstaaten. Durch die Angriffe auf die Verbindungsstraße zum Irak ist der jordanische Export schlicht zum Erliegen gekommen, bedroht sind rund 50.000 Arbeitsplätze.

Nach dem Tod von mindestens acht jordanischen Lastwagenfahrern hat die Regierung nun die Initiative ergriffen und eine Delegation nach Damaskus geschickt, um über syrische Öllieferungen zu verhandeln. Zwar ist Syrien Teil der anti-irakischen Allianz und gilt deswegen als „Verräter“, doch der Regierung in Amman bleibt nun nichts anderes mehr übrig, als den Gang nach Damaskus anzutreten. Syrien fördert täglich 430.000 Barrel Erdöl. Allerdings wird Jordanien das syrische Öl nicht so billig erhalten wie das irakische, das mit Schulden aus den Zeiten des iranisch-irakischen Krieges verrechnet wird. Und Syrien will sein Öl nur zum gängigen Marktpreis verkaufen.

Das Verhältnis zwischen beiden Staaten dürfte sich durch diese Kontakte nicht grundlegend verbessern, in Amman ist in diesem Zusammenhang von einer „Zwangsheirat“ die Rede. Aber nun ist Rücksichtsnahme angesagt: Bereits vor zehn Tagen wies König Hussein die Presse daraufhin, daß sie sich Syrien gegenüber zurückhalten solle und sich ihrer „harten Kritik“ der syrischen Außenpolitik enthalten solle. „Alle unsere Grenzen sind mehr oder weniger geschlossen, nur über Syrien können Jordanier noch über eine benachbarte Grenze gelangen, und wenn die auch geschlossen werden sollte, dann könnten wir sogar Probleme mit den Lebensmittellieferungen bekommen,“ erklärte der König.

Die Bombardierung der Lastwagen hat den Jordaniern noch einmal mehr deutlich gemacht, in welch eine prekäre Lage sie geraten sind. Die Sorgen des Königs waren keinesfalls aus der Luft gegriffen. Nachdem das jordanische Parlament Syrien für die Unterstützung der Verbündeten verurteilte, gingen die Probleme auch schon los. Obgleich die Grenze nicht offiziell geschlossen wurde, konnten drei Tage lang nur einer von zehn Jordaniern ins nördliche Nachbarland reisen. Zwar wurden Lastwagen durchgelassen, die syrische Strafaktion ließ Schlimmeres befürchten. „Solange der Krieg weitergeht und falls Irak ihn verliert, wird Jordanien der Gnade seiner Nachbarn ausgeliefert sein“, kommentierte ein Professor für Geschichte von der Jordanischen Universität. „Das Verhältnis zwischen Jordanien und Syrien wird kühl bleiben, denn die Muslimbrüder wie auch die Linken und Nationalisten, die im jordanischen Parlament sitzen, haben für die Regierung in Damaskus nicht viel übrig“. Berichte über Sympathien der syrischen Bevölkerung für den Irak und Gerüchte über Protestaktionen machen in Amman schnell die Runde. Doch für viele ist die Hoffnung über ein „gutes Ende“ des Golfkrieges nur noch ein Traum. Es ist die Realität, mit der man sich nun auseinandersetzen muß.