Experten hilflos gegenüber der Ölpest

Die UNO-Umweltkonferenz in Genf hat zuwenig Informationen über die Ölkatastrophe am Golf  ■ Aus Genf Ute Scheub

Sie wissen, daß sie nichts wissen. Eine von der UNO-Umweltbehörde UNEP koordinierte zweitägige internationale Konferenz von UNO- Experten zur Ölkatastrophe am Golf ergab wenig neue Informationen. Zwar sei die am Dienstag und Mittwoch abgehaltene Konferenz im Hinblick auf internationale Kooperation bei der Bekämpfung der Ölpest „extrem konstruktiv“ gewesen, so ein Sprecher der in Nairobi ansässigen UNEP. Aber, so ein anderer Konferenzteilnehmer, wegen der anhaltenden Militäraktionen „haben wir im Moment nicht die Informationen, die genaue Prognosen erlauben“.

Das einzige, was man weiß, ist die riesige Ausdehnung des ausgelaufenen Öls, das inzwischen drei Teppiche bildet. Tägliche Aufklärungsflüge mit Helikoptern ergaben, daß die in die See geflossenen elf Millionen Barrel Öl bereits Teile der saudi- arabischen und kuwaitischen Küste erreicht und somit die größte Ölkatastrophe der Geschichte verursacht haben. Zum Vergleich: Bei der Tankerkatastrophe der „Exxon Valdez“ in Alaska flossen „nur“ 240.000 Barrel Öl aus. Sollten sich die Wetterbedingungen nicht grundsätzlich ändern, wird die Ölpest ab Freitag auch die Ufer des Emirats Bahrein bedrohen.

Doch viel mehr als Teams an den Golf zu schicken und Daten zusammenzutragen können die Experten aus zehn UNO-Organisationen derzeit nicht tun. Die UNEP-Datenbank über globale Ressourcen sammelt fleißig Informationen, ein Computermodell simuliert tagtäglich die weitere Ausbreitung, und eine „task force“ der UNEP und der Internationalen Meeresorganisation IMO ist in der Region präsent. Gleichzeitig hat die IMO in London ein Koordinationszentrum errichtet, das rund um die Uhr arbeitet und mit der saudi arabischen Meteorologie- und Umweltschutzbehörde (MEPA) in Verbindung steht.

Der zweite Schwerpunkt der Konferenz waren Szenarios über die Folgen des Abbrennens aller kuwaitischen Ölquellen und des ebenfalls möglichen Einsatzes von atomaren, biologischen und chemischen Waffen, die bei den Experten „äußerste Besorgnis“ hervorriefen. „Wochenlange Feuer“, so hieß es, könnten auch noch in tausend Kilometer Entfernung negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben — vor allem dadurch, daß sie die Sonneneinstrahlung reduzieren, riesige Mengen von Ruß in die Atmosphäre schleudern und sauren Regen produzieren. Noch länger anhaltende Brände könnten Auswirkungen „auf einen großen Teil der nördlichen Hemisphäre“ haben. Aber, so glaubte zumindest ein Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die globale Klimakatastrophe würde durch ein Abbrennen der kuwaitischen Ölquellen selbst dann nicht wesentlich beschleunigt, wenn diese über Jahre brennen würden. Die Katastrophe bestünde vielmehr darin, daß die riesige Rauchwolke regionale Verdunkelungen, Temperaturstürze und Regenausbrüche verursachen würde.

Ähnlich grauenhafte Folgen hätte, so die Konferenzteilnehmer weiter, der mögliche Einsatz von ABC-Waffen. Attacken mit Chemiewaffen hätten wahrscheinlich 40 bis 50 Jahre andauernde Folgen weit über die Region hinaus. Ein von der IAEA koordiniertes Alarmsystem sei bereits installiert, aber trotz der Bombenangriffe auf nukleare und chemische Anlagen im Irak habe noch kein Land der Golfregion die Atombehörde um Hilfe ersucht. Auf die Frage, ob auch im Irak selbst Anlagen zur Feststellung möglicher radioaktiver Verseuchung existierten, wußte der IAEA-Vertreter jedoch nur zu sagen, eine solche Installation sei Sache des jeweiligen Landes.

Neue Brände?

Unterdessen haben irakische Truppen angeblich eine Reihe kuwaitischer Ölfelder in Brand gesetzt. So meldete es zumindest die im Exil arbeitende kuwaitische Nachrichtenagentur 'Kuna‘. Der Himmel über Kuwait werde durch Rauch verdunkelt, der in dicken Säulen aufsteige. Ziel der Sabotageakte sei es, den Alliierten den Angriff irakischer Stellungen zu erschweren.