Plebiszite gegen den Krieg, „Scheherazade“ vor die UNO

■ Interview mit Nelsa Curbelo, lateinamerikanische Generalkoordinatorin des „Dienstes für Frieden und Gerechtigkeit“

taz: Nelsa Curbelo, Sie sind nach Genf gereist, um bei der UNO-Menschenrechtskonferenz die Anliegen der in zehn lateinamerikanischen Ländern vertretenen Menschenrechtsorganisation „Dienst für Frieden und Gerechtigkeit“ [spanisch SERPAJ] vorzutragen. Außerdem werden Sie den inzwischen international von Tausenden unterzeichneten Aufruf der „Frauenaktion Scheherazade“ für eine weltweite Urabstimmung gegen den Krieg in diese UNO-Tagung einbringen. Wie wird die UNO wohl darauf reagieren?

Nelsa Curbelo: Ich weiß es nicht. Ich weiß auch noch nicht genau, was ich in der UNO sagen werde, aber ich werde sprechen. Die Idee einer Weltabstimmung ist natürlich immer noch eine Utopie. Eine Utopie ist ein Traum, der vorwärts bringen kann. Und ich glaube, daß wir die UNO gegenwärtig neu definieren müssen. Indem sie dem Krieg die Tür geöffnet hat, hat sie gewaltig versagt. Im Grunde drückt sich darin eine tiefe Krise der menschlichen Werte aus — das menschliche Leben zählt offenbar nichts mehr, ob nun in einem „heiligen Krieg“, wie ihn Saddam Hussein proklamiert, oder in dem „gerechten Krieg“ von Präsident Bush. Und es hat auch schon vorher nichts gezählt — man denke nur an die 45 Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg, die Millionen von Toten gekostet haben. Aber die haben niemanden interessiert, weil sie in der Dritten Welt stattfanden.

Sie kommen aus Ecuador. Wie stark ist dort die Friedensbewegung?

In Ecuador erleben wir gerade einen wahrhaft historischen Moment. Zum allerersten Mal haben wir die höchsten Würdenträger der Kirche, die Versammlung der katholischen Bischöfe (Conferencia Episcopal Ecuatorial) und auch die Evangelische Konföderation der Lateinamerikanischen Kirchen (CLAI) fest auf unserer Seite. Zum einen haben wir Anfang des Jahres einen Brief an den Papst mit der Bitte verfaßt, er möge den drohenden Holocaust der Völker im Golfkrieg zu verhindern helfen, indem er in die Region reist. 20.000 Menschen unterzeichneten diesen Aufruf, der auch in verschiedenen Tageszeitungen erschien. Zum anderen haben wir einen offenen Brief an unseren Präsidenten geschrieben, daß er alles tun möge, um eine bewaffnete Konfrontation zu verhindern. Ecuador ist nämlich seit 1.Januar Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Dieser Brief ist von einer einmaligen Koalition unterschrieben worden: von den katholischen Bischöfen und der CLAI bis zu linken Arbeiterorganisationen, von Frauen-, Indio-, Künstler-, Ökologen- und Menschenrechtsorganisationen und vielen mehr. Wir hatten kein Geld für eine Anzeige, aber die größte Zeitung des Landes mit einer Auflage von einer Million hat den Text gratis an der bestsichtbaren Stelle gedruckt. Und der Präsident, er gehört zu einer sozialdemokratischen Partei, hat uns in persönlichen Antwortbriefen seiner Unterstützung versichert. Wenn die Bischöfe hinter uns stehen, kann er nicht anders. Außerdem gab es zahlreiche große Demonstrationen. So haben sich zum Beispiel am 4.Februar wiederum Zehntausende vor den Kirchen versammelt, diskutierend, betend, hupend. Es gab die Parole „alle, die für den Frieden sind, sollen hupen“, und es war eine ohrenbetäubende Szene. Auch das Parlament hat sich für einen sofortigen Waffenstillstand ausgesprochen.

Und jetzt wollen Sie in Ecuador zusammen mit anderen lateinamerikanischen Ländern am 15.Februar ein nationales Plebiszit gegen den Krieg veranstalten?

Ja. Allerdings ist gerade der Ausnahmezustand im Land ausgerufen worden. Wenn er länger dauert, ist die Durchführung unseres Plebiszits gefährdet. Eigentlich wollten am Aschermittwoch die Priester in der Messe für das Plebiszit von Freitag bis Sonntag mobilisieren. Es sollen Lautsprecherwagen durch die Viertel ziehen, und überall auf den Straßen sollen Urnen aufgestellt werden, wo die Menschen ihre Stimmzettel hineinwerfen können. Es gibt drei Fragen, die man jeweils mit ja oder nein ankreuzen kann: „Sind Sie mit dem Krieg im Golf einverstanden?“, „Meinen Sie, daß Ecuador in der UNO einen sofortigen Waffenstillstand fordern muß?“, „Sind Sie für die Einberufung einer internationalen Nahost-Friedenskonferenz?“.

Und ähnliches soll am 15.Februar auch in anderen Ländern geschehen?

Ja. In Panama läuft die Kampagne ganz ähnlich. Wir alle erinnern uns ja, daß die UNO nicht mit Sanktionen reagiert hat, als die USA dort und in Grenada einmarschiert sind. In Argentinien gibt es ebenfalls eine Mobilisierung für den 15.Februar, mit Uruguay ist dasselbe Datum vereinbart. Interview: Ute Scheub