Gesundheitsnotstand in Peru

■ Schlimmste Choleraepidemie seit hundert Jahren/ „Katastrophale sanitäre Verhältnisse“

Berlin/Lima (taz/afp/dpa) — Die soziale und wirtschaftliche Krise Perus ist seit Samstag um einen Schrekken reicher: den Gesundheitsnotstand. Für die nächsten 120 Tage ist der Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten verboten. Die Strände des Landes dürfen nicht mehr benutzt, nur noch abgekochtes Wasser darf getrunken werden. Die Polizei soll aus Gesundheitsgründen alle Imbißbuden geschlossen haben.

Die Maßnahmen gelten der Bekämpfung einer Choleraepidemie, die nach offiziellen Angaben bisher über 6.000 Erkrankungen und mehr als 60 Tote gefordert hat. Ihren Ausgang nahm die Seuche vor einer Woche in der nördlichen Hafen- und Industriestadt Chimbote. Doch inzwischen ist die gesamte 3.000 Kilometer lange Küste Perus betroffen. Gesundheitsminister Carlos Vidal erklärte Ende letzter Woche, bei dem gegenwärtigen Tempo der Ausbreitung sei mit 300.000 Erkrankungen zu rechnen. Dabei könnten 4.000 bis 8.000 Menschen sterben.

Der Ursprung der Seuche ist umstritten. Peruanische Zeitungen machten abwechselnd Seefische und Reisimporte aus Asien verantwortlich. Beides wurde zunächst dementiert, doch mit der Ausrufung des Gesundheitsnotstandes ist die Regierung der Fischthese gefolgt — mit fatalen Folgen: Seit dem Wochenende sind die peruanischen Fischer arbeitslos. Schon werden erste Protestmärsche gemeldet.

Außer den verseuchten Fischen ist jedoch auch die schlechte Trinkwasserversorgung der PeruanerInnen an der Ausbreitung der Cholera schuld. Drei der sieben Millionen Einwohner Limas verfügen weder über fließendes Wasser noch über ein Abwassersystem. Weil mit fäkalienverseuchtem Wasser auch Getränke hergestellt werden, kann sich eine Epidemie schnell ausbreiten.

Nachbarländer haben bereits Maßnahmen zur Abschottung Perus vorgenommen: Chile untersagte den Import peruanischer Lebensmittel, Brasilien verordnete die Untersuchung aller aus Peru ankommenden Flugpassagiere, Argentinien verbot den Besatzungen seiner Fluglinie, in peruanischen Hotels abzusteigen. Scharfer Protest seitens der peruanischen Behörden führte mittlerweile dazu, daß ein zunächst von mehreren Fluglinien verlangter Impfnachweis für PeruanerInnen wieder ausgesetzt wurde — mit der Begründung, in Peru gebe es keine Impfstoffe gegen Cholera.

„Völlig unzureichende sanitäre Verhältnisse“ sind nach Meinung des Vertreters der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation OPS, Carlos Cuneo, für die Seuche verantwortlich. Nach Angaben von Wissenschaftlern ist die Ernährungslage in Peru heute so schlecht wie vor hundert Jahren — dem Zeitpunkt der letzten großen Choleraepidemie. D.J.