Protest gegen Internierungen

Amnesty international kritisiert willkürliche Verhaftungen in Großbritannien/ Irakische StudentInnen sollen deportiert werden  ■ Von Ralf Sotscheck

Amnesty international hat die in Großbritannien seit Beginn des Golfkriegs internierten Iraker und Palästinenser als „politische Gefangene“ bezeichnet, da sie „ohne faire Anhörung und unter Bruch internationalen Rechts“ festgehalten würden. Die Listen „potentieller arabischer Terroristen“ sind von drei Beamten des britischen Geheimdienstes MI 5 aufgestellt worden, die dazu Akten aus den sechziger Jahren heranzogen. Beamte im Londoner Außenministerium gaben zu, daß die „offenbar willkürlichen Aktionen den gemäßigten Teil der arabischen Bevölkerung in Großbritannien entfremden“ könnten.

Die britische Botschaft in Berlin erklärte gegenüber der taz, daß eine Reihe von Irakern „aus Gründen der nationalen Sicherheit in Abschiebehaft genommen“ worden seien: „Mit Beginn der Feindseligkeiten wurden sie nach der 4. Genfer Konvention zu geschützten Personen. Jeder Einzelfall wurde vor dem Hintergrund Saddam Husseins öffentlicher Androhung von terroristischen Aktionen sorgfältig geprüft.“ In Wirklichkeit waren die Überprüfungen jedoch äußerst oberflächlich. In der vergangenen Woche mußten sechs Personen freigelassen werden, die zunächst als „nationales Sicherheitsrisiko“ eingestuft worden waren. Mahmood Ayyad, ein Angestellter der Botschaft von Katar, konnte nachweisen, daß er bis Kriegsbeginn als ungefährlich galt: Als Diplomatenchauffeur hatte er sogar Zugang zum Hochsicherheitsbereich des Londoner Flughafens Heathrow. Zum Beweis legte er ein Foto vor, auf dem er in Heathrow direkt neben Königin Elisabeth zu sehen ist.

Die MI-5-Agenten wandten bei der Aufstellung der Listen offenbar das Prinzip der Sippenhaft an. Ali Al- Saleh war am 17. Januar verhaftet worden, weil seine Schwägerin mit einem Neffen des Fatah-Chefs Abu Nidal verheiratet ist. Über Al-Saleh selbst, der seit 20 Jahren in Großbritannien lebt, wußte die Polizei nichts. „Sie dachten, daß ich noch in der saudiarabischen Botschaft arbeite“, sagte der Computerfachmann Al-Saleh. „Dort habe ich vor zwei Jahren aufgehört. Außerdem wußten sie auch nicht, daß wir zwei in Großbritannien geborene Kinder haben. Als sie das hörten, beschlossen sie, meine Frau nicht zu verhaften.“

Ein anderer Iraker mußte am Montag aus dem Kriegsgefangenenlager Rollestone — wo die Gefangenen in kahlen Hütten ohne Kontakt zu ihren Verwandten interniert sind — entlassen werden, nachdem sich herausgestellt hatte, daß eine Namensverwechslung vorlag. Kaum einer der Gefangenen wagt es, seine Unschuld zu beteuern oder gar Opposition gegen Saddam auszudrücken. Die Iraker fürchten, daß kritische Äußerungen nach Bagdad dringen und ihre Familien gefährden könnten. Angst und Schweigen herrscht auch unter den 800 irakischen StudentInnen, die noch nicht deportiert oder in Haft sind. Das Londoner Innenministerium hat ihnen erklärt, daß sie des Landes verwiesen werden, sobald ihre Aufenthaltsgenehmigungen abgelaufen sind.

Den Internierten wird jede Auskunft darüber verweigert, was ihnen zur Last gelegt wird. Die Rechtsanwältin Alison Stanley sagte: „Wir haben überhaupt keine Ahnung, wogegen wir eigentlich ankämpfen. Die Situation ist kafkaesk.“ Ihr Kollege Larry Grant, der sich um die 33 Studenten im Kriegsgefangenenlager Rollestone kümmert, fügte hinzu: „Man kann die Studenten nicht mit Soldaten vergleichen, die vom Feind gefangengenommen wurden. Sie mußten nicht die Waffen niederlegen, sondern ihre Federhalter.“