Der Müll, der Staat und das Volk

■ Mit harten Bandagen kämpfte die bayerische Staatsregierung bis zuletzt gegen eine Niederlage beim Müll-Volksentscheid in Bayern/ Bürger-„Belehrung“ noch im Wahllokal/ Niedrige Beteiligung

Berlin (taz) — Bis zum letzten Moment und bis hinein in die Wahllokale hat die bayerische Staatsregierung versucht, beim Volksentscheid über die künftige Müllpolitik in Bayern die drohende Niederlage abzuwenden. Das Interesse der 8,6 Millionen Wahlberechtigten an diesem siebten Volksentscheid in Bayern hielt sich bis gestern nachmittag in Grenzen. Die Beteiligung lag bis zu diesem Zeitpunkt weit unter der bei Wahlen zum Landtag oder Bundestag. Da die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet, wurde eine niedrige Beteiligung von Beobachtern im Vorfeld der Entscheidung als Indiz für einen Sieg der engagierten Anhänger der Bürgeraktion gegen den im Landtag mit CSU-Mehrheit verabschiedeten Gesetzentwurf gewertet. Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluß noch nicht vor.

Eine „Erläuterung der Staatsregierung zum Volksentscheid“, die in jedem Wahllokal aushing und massiv für den Gesetzentwurf des Landtags Partei ergriff, sorgte für Empörung bei der Bürgeraktion und den Grünen im Münchner Landtag. „Der Landtagsentwurf“, hieß es in dem Aushang wörtlich, „verbessert das geltende bayerische Abfallwirtschaftsgesetz und verhindert die erheblichen Nachteile des Volksbegehrens- Entwurfs. Staatsregierung, Landtag und Senat befürworten daher den Landtagsentwurf und lehnen den Volksbegehrensentwurf ab.“ Mit der Anweisung, die Erläuterung in dieser Form auszuhängen, habe die Staatsregierung „auch gegen die letzte, vom Gesetzgeber auferlegte Pflicht zur Neutralität verstoßen“, schimpfte die Landtagsabgeordnete der Grünen, Tessy Lödermann. „Angesichts der Summe der Rechtsverstöße“ der Regierung im Zusammenhang mit dem Volksentscheid drohte die Parlamentarierin mit der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Landtag.

Unterdessen hat die Vertreterin der Grünen im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR), Margarete Bause, eine Programmbeschwerde gegen die Ausstrahlung des Dokumentarfilms „Wohlstandsmüll im Fegefeuer“ eingelegt, der am vergangenen Donnerstag von BR 3 ausgestrahlt worden war. Der Streifen über Müllverbrennungsanlagen sei „zu 95 Prozent“ von den Anlagenbauern finanziert worden. Mit der Entscheidung, einen solchen Propagandafilm drei Tage vor dem Volksentscheid auszustrahlen, habe der BR „in eklatanter Weise gegen die Verpflichtung zu Objektivität und Überparteilichkeit“ verstoßen, erklärte die Rundfunkrätin der Grünen. gero