Campen — für den Frieden

Seit Beginn des Golfkrieges stehen auf dem Leipziger Augustusplatz zwei Zelte — das „Friedenscamp“ Die Camper müssen sich zuweilen unschöne Bezeichnungen wie „Rote Zecken“ gefallen lassen  ■ Aus Leipzig Stefan Schwarz

Am Morgen des 17. Januar, dem Tag des Kriegsbeginns, bauten sich ein paar Jugendliche zum Zeichen des spontanen Protestes mit einem eilig gepinselten Transparent auf dem Leipziger Augustusplatz (vormals Karl-Marx-Platz) auf, und hielten den vorübereilenden Passanten die Lennon-Botschaft „War is over“ ins Blickfeld.

Sie standen so den ganzen Tag und am Abend wollten sie nicht wieder brav nach Hause gehen. Sie machten ein Lagerfeuer und schließlich kamen sie auf die Idee, auszuharren, bis daß der Krieg ein Ende gefunden hätte. Ein dauernder, lebendiger Protest vor aller Augen auf Leipzigs größtem Platze. Nach drei Tagen allerdings reichte auch das beste Feuer nicht mehr, um die Protestler vor der Winterskälte zu schützen. Das Deutsche Rote Kreuz und die Grüne Partei spendeten je ein Mannschaftszelt. Ein dieselbetriebener Heizlüfter ward herangeschafft. Mittlerweile haben sich die jungen Menschen auch schon mit einem Papier versehen, daß ihrer Aktion den Status einer polizeilich angemeldeten und unbefristeten „Veranstaltung unter freiem Himmel“ beschert. Man einigte sich sogar auf eine streng basisdemokratische Lagerordnung.

Außerhalb der Campschichten gehen die Jugendlichen natürlich ihren geregelten Beschäftigungen als Schüler, Dichter, Studenten, Krankenpfleger oder Arbeitslose nach. Spenden treffen ein. Bier wird gekauft. Ein Flugblatt mit dem programmatischen Titel „Peace-Maker“ erscheint. Zwischen 12.00 Uhr und 12.05 Uhr herrscht täglich mahnendes Schweigen unter den Campern. Im Flugblatt wird aufgefordert, mitzucampen für den Frieden. Allerdings interessieren sich nicht nur Friedensaktivisten für das „Friedenscamp“. Vor zwei Wochen versuchten Rechtsradikale, das Camp zu stürmen. Ein rechtzeitig bestelltes Polizeiaufgebot verhinderte dies. Die „Friedenscamper“ munkeln von dreitausend Deutschmark, die als Preis für ein Niederbrennen der Zelte von einer rechtsextremen Vereinigung ausgesetzt wurden. Auch müssen sich die Camper zuweilen unschöne Bezeichnungen wie „Rote Zecken“ gefallen zu lassen, dabei versichern sie stets, weder links noch rechts noch gewalttätig oder autonom zu sein. Unterstützung erfahren sie jedoch vom Gewandhaus, vor dem sie zelten. Die Camper dürfen den Waschtrakt benutzen. Um sieben Uhr früh nach Kriegsende, so sagen die Camper, wollen sie wieder zu Hause sein.