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Streit unter Pappnasen

■ In der Hauptstadt-Debatte ist der Senat hilflos KOMMENTAR

Den Umzug zum Rosenmontag mußten die Rheinländer letzten Montag absagen, dafür stiegen die Bonner Jecken jetzt zum Thema »Regierungsumzug« in die Bütt. Die Bewohner des Beamtenstädtchens leiden an schweren Entzugsstörungen. Anders läßt sich nicht erklären, wie sie eine so unseriöse Expertise, wie gestern gezeigt, tatsächlich und allen Ernstes präsentieren können. Die Verluste der Bonner Wirtschaft bei einem Wegzug der Regierung im Detail zu berechnen, die der Ostberliner Ökonomie durch den Wegfall der Hauptstadtfunktion aber nicht einmal zu erwähnen — das läßt sich eigentlich so leicht niemand auf die Pappnase binden.

Aber Bonn hat einen Verbündeten: den Berliner Senat. Der bringt es nicht nur nicht fertig, den Bonner Zahlen einigermaßen qualifizierte Argumente entgegenzusetzen. Nein, Diepgen und seine sozialdemokratischen Juniorpartner tun mehr für Bonn: In der doch angeblich wichtigsten Frage für die Zukunft der Stadt streiten sie über den besten Zeitpunkt, den Bundestag entscheiden zu lassen. Dilettant Diepgen hielt es für unnötig, seinen Wunsch nach Verschiebung mit der SPD abzusprechen. Jetzt bleibt es den Bonnern überlassen, ob sie die Berliner SPD gegen Diepgen oder ob sie Diepgen gegen die SPD ausspielen möchten.

Wie hieß es immer? Die große Koalition, das sei jetzt was Solides. In Wahrheit haben wir uns das weitere Verfahren folgendermaßen vorzustellen: Eberhard Diepgen rennt durch Bonn und bittet, die Entscheidung über den Regierungssitz erst mal zu vertagen. Hinter ihm wedeln Walter Momper und Ditmar Staffelt mit den Armen: Hört nicht auf ihn, hört bloß nicht hin! Wenn das kein Ersatz ist — für den Karnevalsumzug. Hans-Martin Tillack

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