piwik no script img

Depremierender Israel-Besuch Galinskis

Der Vorsitzende des Zentralrats sieht deutsch-jüdische Verständigung um Jahre zurückgeworfen  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Für Heinz Galinski, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, gehören Reisen nach Israel zum Alltagsgeschäft. Vergangenen Freitag ist er von einem Dreitagebesuch zurückgekommen, bei dem alles anders war, der ihm den Atem stocken ließ und ihn nicht zur Ruhe kommen läßt. Der 78jährige Mann, in Auschwitz dem Gas knapp entronnen, erhielt bei seiner Ankunft in Tel Aviv die Gasmaske. Wer heute überleben will, vergißt die Maske nie — ein Schutz der in einer makaber grausige Umkehrung an die nationalsozialistischen Vernichtung durch Gas erinnert.

„Diese Reise“, sagt Galinski, „war die schwerste Reise meines Lebens.“ Da war zum einen wieder die Bedrohung durch das Gas, aber zum anderen auch die Sorge, daß ein ganzes Lebenswerk vergeblich war. Vierzig Jahre lang habe er „allen guten Willen“ für eine Verbesserung der deutsch-israelischen Beziehungen eingesetzt, sagt Galinski, jetzt höre er wieder die alten überwunden geglaubten Vorurteile: Wie kann man als Jude in Deutschland leben? Die deutsche Zurückhaltung gegenüber Israel im Golfkrieg, die zweideutige Position der Friedensbewegung und die Waffenlieferungen an den Irak haben die deutsch-jüdische Verständigung um Jahrzehnte zurückgeworfen, hat Galinski in Israel lernen müssen.

Deutschland ist mitverantwortlich für den jüdischen Staat, mehr als 200.000 Juden leben dort, die den Holocaust überlebt haben, sagt Galinski. Es reiche daher nicht aus, Israel für seine vorsichtige Politik im Golfkrieg zu loben und das schlechte Gewissen über die deutschen Waffenlieferungen an den Irak, durch eine „Scheckbuch-Politik“ und einen „Polit-Tourismus“ einzuschläfern. Deutschland, sagt der höchste Repräsentant der Juden in der Bundesrepublik, müsse sich im Golfkrieg „bedingungslos an die Seite von Israel stellen“, es dürfen niemals „die geringsten Zweifel“ an einer solidarischen Haltung entstehen.

Die Bundesregierung sollte ihre diplomatischen Beziehungen zu den arabischen Staaten zugunsten Israels einsetzen, denn einen palästinensischen Staat vor der israelischen Haustür kann es nicht geben, wiederholt er die bekannte israelische Regierungsposition. Auch ein Waffenstillstand zu den Bedinungen des Irak sei „unrealistisch und unakzeptabel“. Ein Frieden auf dieser Basis wäre nur eine „Vertagung des Krieges“ mit schlimmeren Folgen, da sich der Irak weiter aufrüsten könne, sagte Galinski. Der Zentralratsvorsitzende verlangte, daß die Bundesregierung Strafanzeige gegen die deutschen Firmen stellt, die das Waffenembargo unterlaufen haben. Die Geldbußen seien „lächerlich“, die Firmen sind „kriminell“ und müssen wie Kriminelle behandelt werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen