: Starkonzert
■ Was Mozart von seinem gefiederten Freund lernte
Künftige Komponisten können sich den Weg zu Erfolg und Ruhm sichern, wenn sie es Mozart gleichtun und den Staren lauschen. Die Psychologie-Professorin Meredith West von der Indiana Universität beobachtete zehn Jahre lang die intrikate Beziehung zwischen Mensch und gefiedertem Haustier. Sie fand heraus, daß Singvögel die Gabe haben, Geräusche und Sprache aus ihrer Umgebung aufzunehmen und für ihren „sozialen Umgang“ zu verwenden. Der Star in diesem Metier ist sturnus vulgaris, der europäische Star.
Zahme Stare erweitern ihr musikalisches Repertoir mit allem, was die Umwelt akustisch zu bieten hat: miauende Katzen, krähende Hähne, schreiende Babies, knallende Türen und Autohupen. Diese Geräusche verflechten sie mit Wörtern und Sätzen, die sie von ihren Pflegern hören. Besonders erstaunt waren die Wissenschaftler über die Fähigkeit der Stare, Geräusche und Sprache auch chronologisch wiederzugeben, also Handlungsabläufe zu rekonstruieren: Weckerklingeln, Geschirrklappern, Sprechen. Ein anderer Star erinnert sich an die Abfolge: Hundebellen, Türöffnen und Grußworte.
Forscherin West ist überzeugt, daß die Vögel nicht nur stur imitieren, sondern auch ein Gefühl für die sozialen Nuancen menschlicher Sprache entwickeln. Ein aufgebrachter Star, der sich in einer Fadenrolle verheddert hatte, lenkte die Aufmerksamkeit der Forscherin mit lautem Geschrei „Grundlagenforschung, Grundlagenforschung“ auf sich. Es ist anzunehmen, daß in Frau Wests Haushalt zuweilen heftig über Wissenschaft diskutiert wird. Ein anderer gefiederter Zögling versuchte das schmerzhafte Verarzten seines Fußes zu unterbinden, indem er lautstark protestierte: „Ich habe eine Frage.“ Wenn Stare die Sprache richtig lernen sollen, brauchen sie intakte soziale Beziehungen zu ihren Lehrmeistern. Versuche, die Vögel mit besprochenen oder besungenen Tonbändern zu unterrichten, schlugen jedenfalls fehl.
Auch Mozart verbrachte die Jahre 1784 bis 1787 in Gesellschaft eines Stars. Eine entsprechende Tagebuchnotiz ließ er musikalisch mit 17 Noten ausklingen und der Bemerkung „dies ist wunderbar“. Psychologin West glaubt, diese Melodie hätte der Star bei seiner Ankunft im Mozartschen Haus gepfiffen. Die gleichen 17 Noten tauchen jedenfalls im letzten Satz seines Klavierkonzerts G moll (KV453) wieder auf. Ein Plagiat des Meisters also? West hält es für möglich. Die „Star“-Musik will sie auch in einer anderen Komposition (KV522), die Mozart eine Woche nach dem Tod und der Beerdigung seines gefiederten, musikalischen Freundes beendete, wiedererkannt haben. Die Passage, so West, „besitzt die Kompositionseigenart eines Stars“. Silvia Sanides
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