Flüchtlingsgipfel in Ostafrika

■ Die Anwesenheit hunderttausender ruandesischer Flüchtlinge in Uganda sorgt für Konfliktstoff/ UNHCR sucht nach umfassendem Lösungsmodell

Berlin (taz) — Staats- und Regierungschefs aus sechs ostafrikanischen Ländern sind gestern in Tansanias Hauptstadt Daressalam zusammengetroffen, um über das Schicksal der rund einer Million Flüchtlinge der Region zu beraten. Hauptthema des Gipfels der Regierungen von Burundi, Kenia, Ruanda, Tansania, Uganda und Zaire ist das Verhältnis zwischen Ruanda und seinem Nachbarn Uganda, wo mehrere Hunderttausend Ruandesen leben. Denn daran wird deutlich: Aus Flüchtlingsfragen können militärische Konflikte entstehen.

Seit Oktober kämpft Ruandas Regierung gegen eine Rebellenarmee namens „Ruandesische Patriotische Front“ (RPF), die größtenteils aus in Uganda lebenden Ruandesen besteht. Ruanda beschuldigt Ugandas Regierung, die Aktivitäten der RPF zu decken und zu unterstützen. Tatsache ist, daß mehrere RPF-Führer einstmals hohe Positionen in der ugandischen Armee innehatten.

Dieser Konflikt ist eine der härtesten Nüsse, die das UNO-Flüchtlingskommisariat (UNHCR) in der nächsten Zeit zu knacken hat. Nicht nur in Uganda, auch in Tansania und Kenia leben Hunderttausende von Ruandesen, die zu verschiedenen Zeiten ihre Heimat verlassen mußten. Die Lösung dieses Problems wird vom UNHCR als Testfall für eine neue UN-Flüchtlingspolitik dargestellt.

Angestrebt wird nach Aussagen des leitenden UNHCR-Beamten Vieira De Mello eine „umfassende Lösung“, die zwei Stränge verfolgt: Repatriierung und Integration nach Ruanda für alle, die dies wünschen, und die permanente Integration im Gastland — bis hin zur Einbürgerung — für alle, die ersteres „aus guten Gründen“ nicht wollen. Die dafür erforderlichen langfristigen Hilfsmaßnahmen, können, so De Mello, „nicht vom UNHCR erwartet werden“. Stattdessen soll dafür die Weltbank herangezogen werden, die schon heute im Norden Ruandas Integrationsprojekte für Rückkehrer organisiert.

Auswärtige Hilfe soll nicht nur Flüchtlingen zugute kommen, sondern auch der lokalen Bevölkerung des Gebietes, in dem Flüchtlinge integriert werden sollen. Dies soll Diskriminierungen vermeiden und künftige Flüchtlingsströme verhindern. Somit soll sich die Flüchtlingspolitik zu einer umfassenden Strukturpolitik erweitern, die die Bevölkerung ganzer Landstriche zur Klientel von Entwicklungsorganisationen macht.

Die Flüchtlingskonferenz von Daressalam zeigt aber, wie schwierig es ist, solche Modelle in die Realität umzusetzen. Im Vorfeld der Konferenz erklärte sich die Regierung Ruandas erstmals zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen mit der RPF bereit. Ob sie auch zur Aufnahme von in der RPF kämpfenden Ruandesen bereit ist, ist unklar. Bislang erklärt sie sich zwar zur Rücknahme von Flüchtlingen bereit — sie stellt die in Uganda lebenden Ruandesen jedoch nicht als Flüchtlinge dar, sondern als Opfer einer falschen kolonialen Grenzziehung, die einen Teil der im vorkolonialen Ruanda lebenden Menschen der britischen Kolonie Uganda zugeteilt habe.

Wenn eine Repatriierung nicht funktioniert, weil Ruandas Regierung sich weigert, bietet sich als Alternative die Integration der Flüchtlinge in Uganda, wie es schon in Tansania geschieht, wo bereits über 35.000 Ruandesen eingebürgert worden sind. Das UNHCR befindet sich in einer komplizierten Lage, wenn ehemalige Flüchtlinge militärisch gegen die Regierung ihres Ursprungslandes vorgehen. Und so müßte Ugandas Regierung die Aktivitäten der RPF unterbinden. Doch ist dies momentan nicht durchsetzbar.

Als dritte Möglichkeit bleibt der Vorschlag, den Tansanias Präsident Mwinyi jetzt seinem ugandischen Amtskollegen Museveni gemacht hat: die Ruandesen auszuweisen. Dies würde jedoch kaum auf friedlichem Wege zu erreichen sein. So scheint der Fortgang des Konflikts vorprogrammiert. D.J.