Neue lebende Tote

■ „Night of the Living Dead“ — Ein blutleeres Remake

Als George A. Romero 1968 seinen Untoten-Schocker Night of the Living Dead herausbrachte, war der Skandal vorprogrammiert. Wie erwartet erhitzten sich die Gemüter: Es hagelte Kirchenproteste, Rassistenvereinigungen stiegen auf die Barrikaden weil der schwarze Held des Film seinen weißen Mitstreitern geistig weit überlegen ist und zu guter Letzt griff der Staatsanwalt ein und verbot das Grusical. Nach der gerichtlich erzwungenen Wiederfreigabe war der Film so bekannt, das er locker das Dreißigfache seiner Herstellungskosten einspielte. Die Kritiker verdammten den Horrorstreifen zwar zu Anfang in Grund und Boden, zehn Jahre später jedoch bezeichneten sie ihn, völlig zurecht, als Meisterwerk. Heute liegt der vom europäischen Expressionismus beeinflußte Schwarz-weiß-Film im Archiv des New Yorker Museums of Modern Art.

Die provozierende Geschichte paßte genau in die damalige Zeit. Der Film spielt genüßlich den Zusammenbruch im Mikrokosmos Familie durch. Ein junger Mann, der mit seiner Schwester das Grab ihrer gemeinsamen Mutter besucht, wird von einem alten Mann in einen Zombie verwandelt und frißt am Ende seine eigene Schwester auf. Das Kind einer nur scheinbar intakten Mittelstandsfamilie, die sich zusammen mit anderen in einem Landhaus verbarrikadiert hat, stirbt während der Belagerung, kehrt unmittelbar darauf als untotes zurück und frißt seine Mutter. Freudianer auf der ganzen Welt waren begeistert.

Romero erklärte nichts in seinem Film. Ihn interessierte es nicht die Bohne, warum die Toten zurückgekehrt waren. Das Thema des Films war die Analyse der verschiedenen Reaktionen auf ihren Angriff. Diesem Nichtwissen und den Make-up- Künsten eines Tom Savinis verdankt der Film seine beklemmende Stimmung der Ausweglosigkeit. Kannibalistische Monster in Großaufnahme als Methapher für ein sich selbst vernichtendes System — ätzendere Gesellschaftkritik hatte es nie gegeben.

22 Jahre später bringt nun jener Tom Savini ein Remake des klaustrophobischen Lebende-Tote-Stücks auf die Leinwand. Romero schrieb eine Neufassung seines Drehbuchs und produzierte. Doch es funktioniert nicht mehr. Die Neuverfilmung, diesmal natürlich in Farbe, hält sich weitgehend an das Orginal. Inzwischen ist das Thema jedoch x-mal variiert worden und damit völlig ausgelutscht. Savini und Romero versuchen zwar dem Zeitgeist zu huldigen, indem sie die ehemals hilflose weibliche Haupdarstellerin diesmal zur Heldin aufbauen, aber auch das erinnert nur an Sigourney Weavers Rolle der Ripley in Alien. Warum also ein schlechtes Remake eines Klassikers? Im 'Wall Street Journal' gab George A. Romero noch während der Dreharbeiten eine verblüffend ehrliche Erklärung. Das Plagiat seines Kultfilms würde einzig und allein „aus finanziellen Gründen“ gemacht, gab er freimütig zu. Karl Wegmann

Tom Savini: Night of the Living Dead mit Tony Todd, Patricia Tallman u.a.; USA 1990, 89 Min.