„Weibliche Sprache“ angesichts des Krieges?

Italiens Journalistinnen sind in die Krise geraten/ Durchhalten im traditionellen Kampf oder Hintanstellen für den Frieden?  ■ Aus Rom Raffaella Menighini

Die Augen der Frau aus dem Irak vor den Trümmern ihres Hauses; die Verzweiflung der Frau aus Israel nach dem Scud-Angriff; der Blick der Frau aus Saudi-Arabien, stumm und voller Angst hinter ihrem Schleier; der Ausdruck der Jordanierin, die das Bild Saddams küßt; die amerikanische Frau in Uniform, unbeweglich in den Sanddünen Arabiens — Bilder, die der Welt tagtäglich aus dem Fernsehen entgegenflimmern.

Bilder wie aus allen Kriegszeiten, diesmal jedoch mit einem Aspekt, den es so bisher noch nie gab: „Nur wenige sind sich bewußt“, so eine Sprecherin während eines Treffens der von irakischen und jüdischen, asiatischen und europäischen Gruppen organisierten „Frauen in Schwarz“ in Rom, „daß zum ersten Mal — und sogar in beträchtlicher Zahl — auch Frauen über den Krieg berichten“.

Tatächlich sind zumindet aus Italien derzeit fast mehr Frauen als Männer im Nahen Osten: Das staatliche Fernsehen hat mehr als 50 Prozent Berichterstatterinnen im Kriegsgebiet, die Zeitungen kaum weniger. „Die Frage ist“, so die Sprecherin, „ob sich dabei wenigstens ansatzweise eine andere Sicht ergibt als zuvor.“

Daran zweifeln manche. Doch sie geben die Schuld nicht den Frauen hinter der Kamera: Sie arbeiten nicht nur unter den schrecklichen Bedingungen des Krieges, sondern auch in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf, zu dem die Auftraggeber sie zwingen. Die Journalistinnen müssen nicht nur die härtesten Bilder, die schlimmsten Berichte ergattern. Die meisten Medien versuchen auch, ihre „Frontmädchen“ zu Heldinnen zu stilisieren. Das Pendant zu den gewehrtragenden Frauen der US-Armee: Amazonen der Feder und des elektronischen Bildes. „Viele von uns“, sagte eine der Berichterstatterinnen live, „sehen sich auch hier wie immer nur instrumentalisiert.“ Tags darauf wurde sie abgelöst.

Doch das Problem Frauen und Krieg greift bereits wesentlich tiefer: Viele Gruppen, die seit Jahren engagiert für Gleichberechtigung, Emanzipation, den Aufbau einer Kultur alternativ zur männlichen Vorherrschaft streiten, sehen in der derzeitigen Dominanz des Krieges eine große Gefahr für ihren eigenen Kampf. Eine schon Anfang vergangenen Jahres zustandegekommene Gruppe von Redakteurinnen, Sektretärinnen und Techikerinnen innerhalb der Tageszeitung 'il manifesto‘ , die nun die „direkt“ erfahrene Realität des von ihnen journalistisch zu bearbeitenden Krieges diskutieren, sah sich bald von einem Teil der engagierten Feministinnen verlassen.

Katastrophaler Seelenzustand

Ähnliche Erfahrungen gab es auch in anderen Zeitungen: Bei 'L'Unitá‘, wo die Frauen letztes Jahr ebenfalls ein Dokument zum Selbstverständnis und zur Definition der eigenen Rolle als Frau und Zeitungsmacherin verabschiedet hatten, sehen sie nun ihre mühsam erkämpfte Gleichbehandlung unter Hinweis auf „den“ Krieg verschwimmen. Das gleich trifft auch auf die Frauen der römischen Journalistenunion und des „Coordinamento dell' Associazione stampa subalpina“ (Koordinationsvereinigung der Südpresse) zu, die im vergangenen September einen Nationalkongreß zum Thema Frauen und Information mit starkem Akzent auf das nahende Europadatum 1992 veranstaltet hatten.

Die Redakteurin einer der größten italienischen Monatszeitschriften der Frauenbewegung gestand öffentlich ein, daß sie die für den Weltfrauentag am 8. März geplante Nummer kaum zustandebringen wird: „Unser Seelenzustand ist katastrophal, eine nach der anderen fällt wegen Depressionen aus, und wer noch schreiben kann, hat längst die vorher vereinbarten Artikel Marke ,Untreue in der Zweierbeziehung' oder ,Die Rechte der Frauen im Europa der Zwölf' weggeworfen. Doch gerade jetzt bräuchten wir alle Kräfte, um das, was wir seit Beginn unseres Kampfes vor Jahrzehnten angesteuert haben, in Stellung zu bringen.“ Doch kaum eine findet dazu die Kraft.

Wer es dennoch versucht, verweist auf die Geschichte — vor dem Zweiten Weltkrieg etwa hatte es eine machtvolle Frauenbewegung an der Seite der Arbeiterschaft gegeben, doch der Krieg hat diese Bewegung nicht nur für die Zeit der Kampfhandlungen ausgehebelt, sondern für mehr als drei Jahrzehnte in die Ecke zu verbannen vermocht. Leicht gerät dabei die Debatte ins Abstrakte, zum Beispiel bei der Frage, ob Frauen eine Art eingeborenen Pazifismus in sich tragen. Diejenigen, die ihr diesen als „Trägerin des Lebens“ zusprechen, sehen sich mit dem Hinweis auf Soldatinnen der US-Armee oder auf Widerstandskämpferinnen in der Resistenza konfrontiert.

Dennoch kristallisiert sich trotz der Verwirrung wenigstens ein Punkt heraus, an dem immer mehr Frauen im Informationssektor arbeiten: der Aufbau einer anderen Sprache, eines Schreib- und Übermittlungsmodus alternativ zum bisherigen Pressejargon. Hier lassen sich die Fragen des Krieges am intensivsten mit den bereits vordem diskutierten Problemen verbinden, etwa die Vermittlung zwischen Journalismus und fraulichem Empfinden, Zweierbeziehungen, Mutterschaft, Gewaltverweigerung, Beruf ohne Konkurrenzdenken.

„Immer mehr Frauen sehen gerade im Krieg mit seinem Zwang zur Auseinandersetzung mit der extremsten aller Gewalten — der Massenvernichtung — auch das Feld, auf dem viele der anderen Fragen mitentschieden werden: die Fähigkeit, die grauenhaften Ereignisse ebenso wie die weniger grauenhaften, aber nach dem Krieg wieder mehr ins Zentrum rückenden alltäglichen Erfahrungen anders als bisher zu bearbeiten, zu vermitteln, zu übermitteln“, sagte eine Türkin von den „Frauen in Schwarz“. Die Probleme, die es vorher gab, werden nicht verschwunden sein. Es kommt darauf an, sie so zu ordnen und anzugehen, so daß sie auch angesichts des Krieges noch Bestand haben.

Die Autorin ist außenpolitische Redakteurin von 'il manifesto‘.