Ambulante Drogenarbeit vor dem Kollaps

■ MitarbeiterInnen des Beratungs-Ladens Weberstraße legen Arbeit nieder / Drobs überlastet

Die ambulante Drogenarbeit in Bremen steht kurz vor dem Kollaps. Gestern erklärten sieben von acht MitarbeiterInnen in der Anlaufstelle Weberstraße, „AK Drogen“, daß sie ab sofort und unbefristet die Arbeit niederlegen. Für die meisten Junkies heißt das: Tür dicht. Schluß mit einer heißen Tasse Kaffee zwischendurch, einer halben Stunde im Warmen. Spritzentausch (alt gegen steril) und Wundversorgung sollen nach wie vor durchgeführt werden.

In dem winzigen Ladenlokal drängeln sich auf 30 qm Fläche in Spitzenzeiten an die 60 Menschen gleichzeitig. Gestern vormittag war es schon schwierig, überhaupt zur Tür hineinzukommen. „Heute ist es ja zumindest ziemlich ruhig hier“, fanden die abgeklärten Mitarbeiterinnen: keine Schlägerei, keine Dealerei, niemand setzte sich vor aller Augen einen Schuß.

Wo sich im Laufe jedes Tages rund 120 Junkies die Klinke in die Hand geben, ist seit Monaten überhaupt nichts von dem mehr möglich, was einmal Sinn und Ziel des “Vereins für akzeptierende Drogenarbeit“ war: ins Gespräch zu kommen, Hilfen zu vermitteln, Kontakte zu knüpfen, Unterstützung anzubieten für Wohnungs- und Jobprobleme. „Wenn hier einer umfällt, finden wir den erst beim Aufräumen“, konstatiert so drastisch wie bedrückt Mitarbeiterin Biggi Stiem, die seit zwei Jahren Beratung und Betreuung im Laden macht, „wir machen doch hier die reine Massenabfertigung, wir machen nur Elendsverwaltung!“ Die Drogen- Szene hat sich enorm ausgeweitet, Gewalttätigkeiten und —androhungen auch gegenüber den MitarbeiterInnen nehmen zu.

Der Drogenberatung 'Drobs' in der Bauernstraße geht es genauso. „Wir können unsere Hausordnung nicht mehr annähernd einhalten, der größte Teil der eigentlichen Arbeit liegt darnieder“, erklärt auf Anfrage Drobs- Caf'e-Mitarbeiterin Gabriele Stachel.

Einig sind sich alle Beteiligten darüber, daß durch größere Räume oder mehr Personal die Lage auch nicht entscheidend gebessert würde. „Nach dem Umbau haben wir den Caf'e-Platz sogar von uns aus verkleinert, um den Andrang etwas zu kanalisieren“, so die Drobs-Mitarbeiterin, „aber bei der Not und Verelendung nützt das nichts.“

Auch in der Weberstraße hatte man nach der ersten befristeten Not-Schließung Sommer versucht, durch spezielle Angebote und eingeschränkte Öffnungszeiten den Zustrom in Grenzen zu halten: vergeblich. Wer durchfroren und obdachlos ist, drängt hinein. Zeitweilige Unterkünfte wie das besetzte haus und der Bunker brachten spürbare Entlastung. Das Schiff „Outlaw“, nur nachts geöffnet, mindert tagsüber die Heimatlosigkeit nicht. „Es ist so arschkalt“, sagt ein Junkie, „ich muß doch irgendwann am Tag mal wohin, wo mir nichts passiert und wo es warm ist!“

Ob sich nun auch der Vorstand des Vereins AK Drogen der Arbeitsniederlegung seiner MitarbeiterInnen anschließt und den Laden tatsächlich schließt, ist noch offen, nächste Woche finden Konferenzen im Verein und auch mit dem Drogenbeauftragten statt. „Wenn wir den offenen Bereich dichtmachen, kommen wir an die Junkies nicht mehr heran. Der Sinn der niedrigschwelligen Arbeit ist es doch, erst mal mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, erklärt Mitarbeiterin Britt Richter, die gegen Dichtmachen ist, „wenn wir nur noch spezielle Angebote machen, fallen die Ärmsten hinten runter.“

Die Gefahr sehen die anderen auch. Aber können und wollen so einfach nicht mehr weitermachen. Biggi Stiem: „Uns hilft hier keine Renovierung weiter. Die Verantwortlichen müssen für die Junkies endlich Grundversorgung beschaffen: Essen, Wärme, ein Dach über dem Kopf. Dann können wir Drogenarbeit machen.“

S.P.