Poker um die Schulden Jugoslawiens

■ Auf dem sechsten Krisengipfel haben die Spitzenpolitiker des Noch-Staates nur noch Lösungen über die Aufteilung von Vermögen und Schulden zu finden/ Grenzfragen schaffen weiteren Zündstoff

Belgrad (dpa/taz) — Alle Spitzenpolitiker Jugoslawiens sind am Freitag in Sarajewo zu ihrem sechsten Krisengipfel zusammengekommen. Erstmals wird dabei nicht mehr über die Rettung, sondern über die Auflösung des Vielvölkerstaates gesprochen. „Es müßte schon ein Wunder geschehen, damit konkrete Absprachen herauskommen,“ sagte Gastgeber Alija Izetbegovic, der Präsident von Bosnien-Herzegowina, vor Beginn des Treffens. Slowenien und Kroatien wollten die Bundesregierung beauftragen, eine Aufstellung aller Schulden und Vermögenswerte zu erarbeiten um eine „gerechte“ Verteilung der Lasten und Vermögenswerte des jugoslawischen Staates vorzubereiten. Die Auslandsschulden allein belaufen sich auf rund 16 Milliarden Dollar. Hinzu kommen Verbindlichkeiten der Betriebe untereinander in der Höhe von 40 Milliarden Dollar. Die Vermögenswerte dagegen sollen sich auf sechs Milliarden Dollar Devisenreserven und 20 bis 30 Milliarden Dollar Bundesvermögen belaufen.

Die jugoslawische Armee ist schon jetzt bankrott. Grund dafür seien die „widerrechtlich“ gekürzten Zahlungen der Republiken in die Bundeskasse, es fehlen mehr als umgerechnet 600 Millionen DM. Selbst die Lieferanten von Lebensmitteln haben die Armee im Stich gelassen, nachdem sie schon zwei Monate lang nicht mehr bezahlt worden sind.

Die ohnehin komplizierte politische Lage ist von einem neuen Konflikt Kroatiens mit der Armee zusätzlich erschwert worden. Das kroatische Parlament hatte in der Nacht zum Freitag in einer Resolution gedroht, seine Vertreter aus allen Bundesorganen zurückzuziehen, wenn das Staatspräsidium nicht einen Entwaffnungsbefehl vom 9. Januar aufhebt. Dieser Auftrag an die Armee zur gewaltsamen Entwaffnung aller illegal bewaffneten Verbände sei in Wahrheit gegen die legale kroatische Polizei gerichtet. Der Armee wurde weiter vorgeworfen, die kroatische Regierung stürzen zu wollen.

Das Parlament in Kroatien hatte am Donnerstag wie Slowenien zuvor ein Gesetz verabschiedet, das den Vorrang kroatischer Gesetze vor jugoslawischen Bundesgesetzen festlegt. Das Gesetz verbietet der Zentralregierung unter anderem, in Kroatien ohne Einwilligung des kroatischen Präsidenten den Ausnahmezustand zu verhängen oder die Armee einzusetzen. Im Gegensatz zu Slowenien verzichtet Zagreb aber darauf, die Republikgrenzen als Staatsgrenzen zu definieren. Alija Azetbegovic, der bosnische Präsident, vermutete daraufhin, Kroatien wolle sich einen Teil Bosniens einverleiben. Und da auch der serbische Präsident Slobodan Milosevic erklärte, alle Grenzen in Jugoslawien seien lediglich „administrativ“, ist klar, daß Serbien seine Ansprüche auf Teile Bosniens, Kroatiens und Mazedoniens aufrechterhält.