Herrn Rehbergers tolle Visionen

■ Kommunale und Genossenschaftswohnungen sollen faktisch „verschenkt“ werden/ Der Haken: Das Land hat gar keine Verfügungsgewalt über den kommunalen Wohnungsbestand

Magdeburg (taz) — Den Verkauf von kommunalen und Genossenschaftswohnungen an ihre Mieter hat Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) vorgeschlagen. Nichts neues, dieser Vorschlag lag in den neuen Bundesländern schon öfter auf dem Tisch. Neu — für einen FDP-Minister sensationell — ist der Kaufpreis, der Rehberger vorschwebt. Die Mieter sollen ihre Wohnung quasi für „'nen Appel und 'n Ei“, für 80 bis 120 Mark pro Quadratmeter kaufen können. Fast geschenkt also. Vor Journalisten räumte Rehberger ein, daß dies ein symbolischer Kaufpreis sei, der immerhin noch höher liegt als die eine Mark, die ein Bäcker einst für ein ganzes Wohnungsunternehmen bezahlt hat. Mit dem Ausverkauf der städtischen Wohnungen zu Schleuderpreisen will der Minister drei Dinge erreichen. „Zum einen ist das ein bescheidener Ausgleich dafür, daß der SED-Staat seine Bürger 40 Jahre lang um die Früchte ihrer Arbeit betrogen und eine Eigentumsbildung nur in den seltensten Fällen zugelassen hat“, erklärte Rehberger. Der Vorteil für die Mieter liege auf der Hand. Sie erhielten für einen symbolischen Preis einen erheblichen Vermögenswert, selbst in den Fällen, in denen die Wohnung in keinem besonders guten Zustand sei. Und 6.000 Mark für eine 60-Quadratmeter-Wohnung, die könne sich auch jeder Bürger der Ex-DDR leisten. Selbst wenn er sie sich komplett bei der Bank leihen müßte, bedeute das nur einen monatlichen Kapitaldienst von 50 Mark. Kommunen und Genossenschaften reduzieren so nach Ansicht Rehbergers den Subventionsbedarf, der auch durch die üppige Personalausstattung der Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften bedingt sei. „Es reicht vollkommen, wenn die Kommunen maximal 15 Prozent ihres derzeitigen Wohnungsbestandes für solche Menschen behalten, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Wohnung finden können.“ Außerdem bringe eine solche Aktion das dringend benötigte Bargeld in die kommunalen Kassen. Ein einfaches Rechenexempel; nachvollziehbar, so glaubt der Minister, am Beispiel der Stadt Magdeburg. „Die Stadt hat derzeit 70.000 Wohnungen mit durchschnittlich 60 Quadratmetern“, rechnet Rehberger vor. „Beim Verkauf von nur 50.000 Wohnungen kämen auf einen Schlag 300 Millionen Mark ins Stadtsäckel.“ Die Wohnungsprivatisierung à la Rehberger funktioniert aber nur, wenn den Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften ihre Altschulden aus der DDR-Zeit ersatzlos erlassen werden. Für eine entsprechende Regelung nach §28 des Einigungsvertrages will er sich jetzt in Bonn einsetzen. „Das sind doch nur Papierschulden“, sagte Rehberger, „für die die Gesellschaften nie tatsächlich Geld bekamen.“ Die Bundesrepublik könne jetzt nicht Schulden bei den Gesellschaften eintreiben, die tatsächlich nie gemacht wurden. Der Rehberger-Vorschlag klingt wie Musik. So billig und einfach kam der kleine Mann tatsächlich noch nie an Eigentum. Aber es gibt da einen Haken. Das Land — und damit auch sein Wirtschaftsminister Horst Rehberger — hat gar keine Verfügungsgewalt über den kommunalen Wohnungsbestand. Wie Bürgermeister und Gemeinderäte zu seinem Vorschlag stehen, das hat der Minister vergessen nachzufragen. bl