Leben im blauen Dunst

■ Doppelpunkt: „RaucherInnen raus!“, ZDF, 20.15 Uhr

Jeden Tag gehen in der Bundesrepublik rund 400 Millionen Zigaretten in Rauch auf. Die einen empfinden das dann als großen Genuß, etwa nach einem Essen oder beim geselligen Zusammensein, oder gönnen sich den Tabak als Entspannung in der wohlverdienten Zigarettenpause. Viele andere dagegen sehen nur die 400 Millionen Kippen auf der Straße oder im Abfall, riechen den kalten Zigarettenqualm in Kleidern und Haaren und leiden unter stechenden Kopfschmerzen.

Etwa 18 Millionen Menschen in der (alten) Bundesrepublik sind RaucherInnen. Zu ihnen gehört auch Jasmin, 21 Jahre, aus Köln. Ihr „schmeckt es einfach“ — ganz so, wie es die Werbung so gerne herausstellt. Sie sieht sich selbst als „überzeugte Gelegenheitsraucherin“ und meint, die Zahl der Zigaretten, die sie so am Tag raucht, auch gesundheitlich für sich vertreten zu können. Im Verhältnis zu NichtraucherInnen setzt sie auf mehr gegenseitige Toleranz. Gesetzliche Maßnahmen gegen das Rauchen, wie sie zum Beispiel Nichtraucherinitiativen fordern, könnte sie nicht akzeptieren: „Da würde ich auf die Barrikaden gehen!“ RaucherInnen seien schließlich keine Minderheit, über die man einfach so bestimmen dürfe.

Ähnlich sieht es auch Sven, 26 Jahre, der als Hörfunkjournalist in Berlin und München arbeitet: NichtraucherInnen genießen bereits einen ausreichenden Schutz, weitere staatliche Eingriffe würden das Verhältnis zwischen RaucherInnen und NichtraucherInnen unnötig verschärfen. Dabei findet er gerade den sozialen Aspekt der Zigarette so angenehm: In seinem streßigen Job kommt es schon mal vor, daß man ruppig miteinander umgeht: „Danach raucht man halt eine zusammen, das verbindet dann wieder.“ Überhaupt käme man als RaucherIn leichter in Kontakt mit anderen Menschen.

Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung belegt allerdings, daß das Rauchen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer weniger als Mittel zur Kontaktaufnahme erlebt wird. Die Untersuchung zeigt, daß gerade in dieser Altersgruppe das Rauchen überhaupt an Reiz verloren hat. Wer bis zum 18. Lebensjahr nicht angefangen hat zu rauchen, wird im übrigen auch später kaum damit anfangen.

Mit seinen 21 Jahren ist Thorsten aus Recklinghausen als überzeugter Nichtraucher damit völlig im Trend. Neben seinem Studium macht er Tanzmusik und kann damit ein Lied davon singen, was es heißt, „Mitraucher“ zu sein. Es nervt ihn zusehends, daß er ungefragt immer den gesundheitsschädlichen Rauch einatmen muß: Das empfindet er fast schon als Körperverletzung. „Nichtrauchen sollte zum Normalfall werden, statt Nichtraucherzonen müßte es Raucherzimmer geben!“

Die AnhängerInnen des blauen Dunstes sollten höhere Krankenkassenbeiträge zahlen, wenigstens sollte die Tabaksteuer um ein Vielfaches erhöht werden. RaucherInnen haben für Thorsten eindeutig ein „psychisches Defizit“. Sie seien nämlich charakterlich weniger gefestigt, eher labil. Das beweise auch die Tatsache, daß viele RaucherInnen gerne aufhören wollten, es aber nicht schafften.

Swantje, 21jährige Studentin aus Göttingen, ist so ein Fall: Mit 13 Jahren hatte sie angefangen zu rauchen. Erst reizte das Verbotene, in der Clique wollte man erwachsen und cool wirken. Die Werbung mit ihren tollen Typen hatte sie beeinflußt: Sie rauchte Marken, die ihrem Stil entsprachen beziehungsweise was sie dafür hielt. Jetzt bemerkt sie gesundheitliche Probleme, möchte auch wegen eventueller Kinder rechtzeitig aufhören. Nur den eigentlichen Absprung — den hat sie noch immer nicht geschafft.

Matthias, 29 Jahre, aus Köln dagegen hat aufgehört und sieht die Problematik nun von der anderen Seite: Seine Freundin zu Hause ist nämlich nach wie vor Raucherin! Dazu muß sie sich allerdings in der Regel auf den Flur oder aufs Klo verdrücken. Auch sein Büro möchte er demnächst „rauchfrei“ machen, denn er hält das Mitrauchen für ausgesprochen gesundheitsschädlich.

Diese fünf jungen Erwachsenen diskutieren mit Barbara Stöckl über die Toleranz zwischen RaucherInnen und NichtraucherInnen, die Motive zu rauchen oder es bleiben zu lassen, aber auch den Sinn und die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Nichtraucherschutz. taz