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Warnstreiks vor Tarifverhandlungen

■ Die Gewerkschaft IG Metall hat zu Warnstreiks und Großdemonstrationen für soziale Sicherheit und gegen die Zerschlagung der Betriebe aufgerufen/ Langzeitarbeitslosigkeit kann verhindert werden/ Arbeitsministerin stellt Sofortprogramm vor

Berlin (taz/adn) — Mit Massendemonstrationen und Warnstreiks reagierte gestern die ostdeutsche Arbeiterschaft auf die grassierende Tendenz, Betriebe zu zerschlagen anstatt zu sanieren. Die IG Metall kündigte unter anderem für heute in Cottbus 13.00 Uhr einen Warnstreik im Automatisierungsanlagenwerk an. Ebenfalls in Frankfurt an der Oder sind um 7.00 Uhr ein Warnstreik und Kundgebungen vor dem Werkstor der Eko-Stahl angekündigt, 12.00 Uhr ist Warnstreik im Halbleiterwerk, Prolux GmbH und Stahlleichtbau angesagt. In Oranienburg und Eberswalde soll demonstriert und aus Protest die Arbeit befristet niedergelegt werden. Eine Delegation von Oranienburger Betrieben tritt heute die Reise nach Warnemünde an, um die dortigen Tarifverhandlungen für das Gebiet Mecklenburg- Vorpommern zu begleiten. Die vierte Runde der Tarifverhandlungen für Berlin und Brandenburg wird am Freitag um 14.00 Uhr im Haus der Wirtschaft in Berlin Charlottenburg, Am Schillertheater 2 aufgenommen.

Die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) sieht für Brandenburg Möglichkeiten, Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. Vor dem Hintergrund anwachsender sozialer Spannungen in den neuen Bundesländern stellte sie gestern ein Sofortprogramm für die Jahre 1991 bis 1994 zur umfassenden Arbeitsförderung besonders von Jugendlichen, Rentnern und Frauen vor. Das Maßnahmepaket komme rund einem Viertel der gegenwärtig 80.000 Arbeitslosen in dem Bundesland zugute, sagte Frau Hildebrandt in Potsdam. Als Hauptsäulen des Programms nannte sie die Förderung von Trägern für Beschäftigungs- und berufliche Bildungsmaßnahmen sowie für die betriebliche Aus- und Fortbildung. Es würden außerdem Existenzgründungen unterstützt und Lohnkostenzuschüsse für Risikogruppen gewährt. Die Kosten des Programms bezifferte die Ministerin auf rund 152 Millionen Mark. Diese würden von der EG und vom Land getragen.

Im Schweriner Landtag dominierten am Mittwoch Begriffe wie Chaos und Kollaps in der Aktuellen Stunde zu Beginn seiner 11. Sitzung. Die emotionsgeladenen Aussprache behandelte die katastrophale Finanzsituation und die Werftenkrise. Wirtschaftsminister Rehberg will schon in diesem Jahr die neuen Länder voll an der Umsatzsteuer beteiligt sehen. Mecklenburg-Vorpommern braucht mehr Einfluß auf die Treuhand, damit sie nicht nur privatisiert und liquidiert, sondern auch saniert.

SPD-Fraktionsvorsitzender Ringstorff konstatierte, die Schiffbaukrise ist nicht nur ein Branchen-, sondern ein Regionalkonflikt größten Ausmaßes.

In der sächsisch-anhaltinischen Hauptstadt hat am Mittwoch Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) ein 10-Punkte-Programm für den ökonomischen und ökologischen Wiederaufbau des Industriegroßraumes Halle/Bitterfeld/Merseburg vorgelegt. Es sieht vor, aus den großen Chemie- und Bergbauunternehmen alle Dienstleistungseinheiten auszugliedern und zu privatisieren, um so eine „neue mittelständische Struktur“ schaffen. Jedes Großunternehmen sollte eine Gesellschaft zur ökologischen Sanierung des Geländes gründen und damit zugleich Arbeitsplätze schaffen. Der Bund übernehme dafür vollständig die Personalkosten und etwa 30 Prozent der weiteren Aufwendungen. Rehberger regte an, mit den Nachbarn des Freistaates Sachsen sollten die Kommunen und Unternehmen der Region einen Wasser- und Bodenverband zur Beseitigung der gravierenden Umweltschäden aufbauen. Er schlug vor, daß eine Treuhand-Lenkungsgruppe ein Gesamtkonzept für die Zukunft der Chemieunternehmen entwickele. Der Minister plädierte für die Sicherung von Ausbildungskapazitäten und verwies auf ein Vorhaben der Deutschen Angestellten Akademie mit Siemens Nixdorf Informationssysteme sowie der TÜV- Akademie Ostdeutschland.

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