Wer auf Ost-Rente baut, ist selber schuld

■ Das Sozialgericht gibt bekannt: »Vertrauen auf eine bestehende soziale Sicherung habe in der DDR niemand haben dürfen«/ Anders ausgedrückt: Wer im Unrechtsstaat seine Rentenbeiträge gezahlt hat, kann sich seine Ansprüche sonstwohin stecken

Berlin. Wer in der DDR gelebt hat, ist selber schuld und kann sich seine Sozialansprüche heute sonstwohin stecken. Zu dieser bemerkenswerten Auffassung kam gestern das Sozialgericht Berlin in der Begründung einer Eilentscheidung. Darin heißt es wörtlich: »Vertrauen auf eine bestehende soziale Sicherung habe in der DDR ohnehin niemand haben dürfen.« Das Sozialgericht begründet mit diesem Satz unter anderem, warum ein 57jähriger Stasi-Mitarbeiter auch weiterhin keine Rente beziehen soll.

Hintergrund des Urteils: Der Mann, der 20 Jahre lang mit militärischem Rang im Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hatte, wollte beim Sozialgericht seine Rente einklagen. Im März des vergangenen Jahres wurde ihm eine Übergangsrente von 527 Mark zugebilligt, die im Juli wegen eines vom Kabinett de Maizière erlassenen neuen Gesetzes auf 297 Mark gekürzt wurde. Ab dem 1. Januar 1991 muß der Mann völlig auf seine Rente verzichten. Der Stasi-Offizier fühlte sich ungerecht behandelt — schließlich habe er über lange Zeit Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt. In der Anordnung der Verwaltung, ihm kein Geld mehr auszuzahlen, sah er einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Sein Hauptargument: Beamte des Verfassungsschutzes oder des Bundesnachrichtendienstes seien auf ähnliche Art und Weise finanziell abgesichert.

Das Sozialgericht, das gestern nur über die Eilbedürftigkeit seines Antrages zu entscheiden hatte, lehnte ab und äußerte sich grundsätzlich zu der Renten-Problematik, was nach Auskunft von Gerichts-Insidern äußerst ungewöhnlich und im Grunde überflüssig ist. Es brauche nicht sofort entschieden zu werden, da der Antragsteller keine finanzielle Not leide, erklärte das Gericht. Darüber hinaus bezweifelte das Gericht, daß die grundgesetzliche Eigentumsgarantie auf Beitragszahlungen auch für den Versorgungsfonds des Stasi- Ministeriums gelte, da das MfS in vielfacher Weise gegen das Grundgesetz verstoßen habe.

Dann folgt der Satz, nach dem man dem sozialen Sicherungssystem in der DDR eh nicht habe trauen dürfen. Im Umkehrschluß kann diese Bemerkung nach Auffassung anderer Richter durchaus so interpretiert werden, daß der Gesetzgeber nicht nur über die Rentenansprüche von Ex-Stasi-Mitarbeitern entscheiden kann, sondern auch »Oma Krause« per Dekret die über Jahre angesparten Bezüge kürzen könnte. Schließlich hat auch sie — schön blöd — Vertrauen in das Rentensystem der DDR gehabt, obwohl das SED-Regime ein Unrechtsstaat war. Nach Ansicht von Juristen widerspricht diese Bemerkung in der Begründung dem Grundsatz des »Vertrauensschutzes«. »Vertrauensschutz« bedeutet auf deutsch und auf Oma Krause angewendet: Wer immer brav seine Rente zahlt, dem darf man hinterher nicht den Vogel zeigen und die Kohle abnehmen.

Das Hauptverfahren steht in der Sache noch aus. Das Gericht wird sich dann mit der Kürzung der Altersrentenanwartschaft des Klägers aus der Ministeriumsversorgung auf 990 Mark befassen müssen. ccm