Stereo MCs

■ The Message is the massage

Selten jagt im Hip Hop ein Höhepunkt den anderen. Und nun kommen die Stereo MCs bereits das zweite Mal in vier Monaten. Eine solche Clubfrequentierung ist bisher nur Faith No More beschieden gewesen. Andere Gemeinsamkeiten schmieden die beiden heißen Eisen noch fester zusammen. Hier wie dort schlägt der Begriff vom Crossover unbarmherzig zu, und viele in seine Bann. Die Eigenheiten der Stereo MCs werden umso wichtiger, wenn man sie in Gemeinschaft mit der sie umgebenden schwarzen Nachbarschaft sieht (bei Faith No More fällt ein solcher Blick von Prince über Bootsy Collins auf Metallica zurück).

Da geht zuerst einmal ein ungeheurer Ruck der Liberalisierung durch das HipHoplager, die Pole schmelzen. Chuck D. übt, im Lärmrock von Sonic Youth zu bestehen, 24-7 Spyz toben sich zwischen Metal, Funk und Rapping auf der Loft- oder Stadionbühne aus; und die Stereo MCs erweisen denschwarzen Radikalfundamentalisten von Isis, Professor X und dessen anhängernden Clan mit Mischaktivitäten die Ehre (wie auch Monie Love und den Jungle Brothers).

Dieser freiere Umgang mit der vorher verfochtenen Hautfarbenpolitik ist für Schlichter begrüßenswert, unter Freunden selbstverständlich – andererseits materialistisch notwendig. Ein Blick in die Charts genügt: MC Hammer und Vanilla Ice, Pepsi Cola und andere multikulturelle Firmenverbände haben ein rassenkompatibles Konzept geschaffen, das entgegen der Liberalisierung vornehmlich Verwässerung betreibt. Gute, junge und alte Feinde bilden in Übereinstimmung mit der Chefetage das Meinungsbild, weiterhin wie gehabt, die neue Weltunordnung im Rücken.

Die Aufklärung bleibt auf der Straße. Dort treiben sich Public Enemy oder DeLaSoul oder 24-7 Spyz oder Stereo MCs herum, und kommunizieren über Gettoblaster miteinander: »Release, give peace, let the violence seize, can we get some release, so die Stereo's in »Watcha gonna do ?«. Die Gesetze des Dschungels werden gebrochen, die »World Clique« soll rulen.

Bis vor eineinhalb Jahren klang dazu die Musik der Stereo MCs etwas angestaubt experimentell elektronisch. Die letzte Platte versprüht dagegen eine universelle Funkyness, nutzt Raggaebeats, leckerste K-Tel Disco und immer wieder diesen einen opiatischen Groove, dessen Scvhwärze tief, sprich: undurchschaubar über Tanzflächen und durch Walkmankopfhörer schleicht. Da läuft im HipHop eine Art Einswerdung ab, die alle politisch oder sonstwie gerichteten Gedanken begleitet wie eine allumfassende Grammatik. Scratching und Samplesprengsel spielen mit deren Regeln. Das Magazin der Musik zur Zeit spricht davon des öfteren als »schonwiederderRhythmus«, baß erstaunt.

Der eine Groove ist das verbindend-verbindliche Moment der unüberschaubaren Rapszene geworden, mögen auch MC Hammer oder Vanilla Ice oder Pepsi Cola oder andere monokulturelle Firmen auf Unverbindlichkeit mit Michael Jackson oder Queen setzen, sie hinken da etwas hinterher.

In diesem Groove finden sich die Ausführenden auf einer anderen Ebene (login unter Bewußtsein) wieder. In seinem Verlauf einer Endlosschleife ähnlich, wird der Rap zu etwas eindringlich Meditativen. Mit dem Text vereint entstehen bei den Stereo MCs spirituelle Gebilde, langsam in Bewegung gesetzt, »Supernatural«, wie der Titel der aktuellen LP. Man treibt da durch die Wellen eines abebbenden erhöhten Pulsschlages. Der Tanzschritt verliert an sportiver Hektik, kein Marathongehopse mehr. Stattdessen waltet eine wohlige Woge aus den Boxen heraus und massiert den Körper wie bei ruhig ausgeschwommenen Bahnen im Becken. Wie Tai-Chi.

Der Zustand nach Erschaffung der Ursuppe ist gerade wieder überwunden, das Paradies in Aussicht, Intuition, Emanation, Spirit: der Rest ravt woanders. Harald Fricke

Um 21 Uhr im Ecstasy.