: „Dieser Sieg ist kein Frieden“
■ Bremer Reaktionen auf die Waffenruhe am Golf: „Grobe Desillusionierung“ an einem „großen Tag“
Große Freude wollte gestern über die Waffenruhe am Golf in Bemen nicht aufkommen. Auch bei der Mahnwache am Roland war die Stimmung eher gedrückt. „Den ganzen Tag werden wir schon angepflaumt: Was wollt ihr hier eigentlich noch, der Krieg ist doch vorbei“, erzählt eine junge Mahnwachen-Frau. Eigentlich hatten sie auch selber ihre Aktion bis zum Ende des Krieges terminiert. „Aber für mich ist der Krieg nicht zu Ende“, so einer von denen, für die das Camp in den letzten Wochen fester Bestandteil des Lebens war, „die Konflikte der Region sind noch lange nicht gelöst.“
Auch die Konflikte, in die der Krieg die Bundesrepublik gebracht hat, sind vielen präsent. „Dieser Krieg hat uns psychisch fertiggemacht“, stellt Klöckner- Betriebsrat Eike Hemmer fest. Für die Gewerkschafts-Debatten um Rüstungskonversion seien die Auswirkungen „verheerend“. Hemmer: „Ein gewaltiger Auftrieb für die Rüstungs-Lobby zeichnet sich schon ab.“ Auch innerhalb der Betriebe habe es eine „grobe Desillusionierung“ gegeben, als sich herausstellte, daß „wir mit der Position 'kein Krieg' in der Minderheit waren“.
„Trauer“ fühlte gestern Ursula Prahm (Initiative „Statt Krieg“) trotz eines ersten „Gefühls der Erleichterung“ über das „Ende
Der Krieg ist zu Ende, die Mahnwache geht weiterFoto: Sabine Heddinga
des Tötens“. Prahm: „Freude konnte nicht aufkommen, denn das Ende des Krieges muß ich von denen hinnehmen, die den Krieg begonnen und mit aller Brutalität durchgeführt haben.“ Trotz der Nachrichten vom Waffenstillstand ist Ursula Prahm gestern zur Schwachhauser Mahnwache gegangen. Auf den Schildern stand: „Der Sieg ist kein Frieden.“
So sieht es auch Ilse Janz, Bre
hier bitte das Foto
mit dem Lagerfeuer
mer SPD-Vorsitzende. Obwohl jetzt „die Befürworter des Krieges gut dastehen“, bleibt sie bei ihrer Position, daß „man lieber auf das Embargo als auf den Krieg als Mittel der Politik“ gesetzt hätte. Allerdings gerate ihre grundsätzliche Position gegen einen Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des Nato-Gebietes jetzt „in erschreckender Weise auch innerhalb der SPD in die Minderheit“.
Als „hilflos“ charakterisierte der grüne Fraktionssprecher Martin Thomas seine Empfindungen am Tag des Waffenstillstandes. Zwar dürfte man sich nicht in die Kriegslogik hineinziehen lassen, es bleibe aber das Problem: „Was tun, wenn alle politischen Mittel versagen, um einen nicht friedensfähigen Politiker wie Hussein zu stoppen.“ Langfristig bleibe nur der Stopp der Rüstungsproduktion als einzige, wenn auch minimale Hoffnung.
Lauten Jubel gab es gestern aber auch bei den Befürwortern des Golf-Krieges nicht. „Zwar kennen wir die tatsächliche Zahl der Opfer noch nicht, aber so schlimm, wie er hätte werden können, ist der Krieg nicht gekommen. Wir haben Gück gehabt“, sagte FDP-Fraktionschef Claus Jäger vorsichtig. Erleichtert sei er darüber „auch deshalb, weil sonst denjenigen, die gesagt haben: 'Es ist ein unvermeidbarer Krieg', die Verantwortung zugeschoben worden wäre.“ Es dürfe nun aber nicht der Fehler gemacht werden, „daß Krieg als Mittel der Politik wieder erlaubt“ sei.
Solche Skrupel hat der stellvertretende CDU-Fraktionschef Günter Klein nicht mit dem Krieg am Golf. „Das ist ein Sieg der Vereinten Nationen und des Völkerrechts“, sagte er gestern. Jetzt müsse eine Friedensordnung vereinbart werden — unter Lösung auch der Probleme im Libanon und der Palästinenser und einer Garantie der Sicherheit Israels.
„Mit großer Erleichterung“ hat Karla Müller-Tupath, Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde, von der Feuerpause und der Aufhebung des zivilen Ausnahmezustands Kenntnis genommen. „Ich bin froh, daß Israel erstmal Ruhe hat“, sagte sie, „und ich bin wirklich froh, daß die UNO und die Alliierten Saddam Hussein zur Annahme sämtlicher UNO-Resolutionen gezwungen haben. Ich glaube schon, daß das ein großer Tag ist.“ asp/Ase/hbk/bd
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