Vom Waschlappen zum Weltpolizisten

■ Die steile Karriere und der persönliche Kreuzzug des George Bush/ Immer wieder fühlte er sich genötigt, den Eindruck von Handlungsunfähigkeit zu zerstreuen

Dieser Golfkrieg war nicht nur der Krieg des George Bush — aber es war auch sein Krieg. Die Verächtlichkeit, mit der er gleich von Anbeginn den Namen seines Gegners aussprach — „Saeddm“, so als wolle er das Übel von „Sodoma“ und die Kraft von „Dämonen“ in ein einziges Wort pressen — legten Zeugnis ab von einer ganz persönlichen Mission des US-Präsidenten gegen Saddam Hussein.

Natürlich ging es nach dem „Appeasement“ der 80er Jahre am Golf nun plötzlich um „Containment“, die Eindämmung des Megalomanen von Bagdad. Natürlich ging es auch um die Vormachtstellung der USA in der schon von Jimmy Carter zur amerikanischen Einflußsphäre erklärten Region, natürlich ging es um Öl, demokratische Prinzipien und die Befreiung Kuwaits. Aber verstärkt wurden all diese Motive noch durch die persönliche Indignation des George Bush über die Invasion des mit Dollars und Deutschmark großgezogenen Diktators, der Amerika nun zu brüskieren wagte.

„So kommt mir keiner“, schien der Yale-Absolvent Bush zu denken, als er von der Invasion Kuwaits hörte. Saddam, ich werde dich „in den Hintern treten“, so hatte George in seiner aus der Umkleidekabine eines Sportklubs entlehnten Sprache schon längst die Konsequenzen gezogen, als die amerikanische Öffentlichkeit noch dachte, es werde ernsthaft und demokratisch über eine Fortsetzung der Sanktionen diskutiert. So eine Unverschämtheit wie die Saddams war den WASPs, den „White Anglos Saxon Protestants“, den Walkers (Bushs mütterliche Seite) seit der Landung ihrer Vorfahren auf der „Mayflower“ noch nicht untergekommen.

Dies ist nicht das erste Mal, daß George Bush seine gespaltene Persönlichkeit als delikates Ostküstengeschöpf und als Südstaatenrabauke durch die öffentliche Beseitigung eines inkarnierten Übels zu seinem politischen Vorteil auflöste.

Im Wahlkampf von 1988 gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Michael Dukakis war es die Figur des schwarzen Vergewaltigers Willie Horton gewesen, die George Bush letztendlich zum Sieg verholfen hatte. Mit einem rassistischen TV-Commercial über den vom damaligen Gouverneur Dukakis aus der Haft beurlaubten Frauenschänder hatte George Bush nicht nur seinen Konkurrenten erledigt, sondern auch sein Image als Weichling (wimp) zumindestens vorübergehend abstreifen können.

Seine Karriere liest sich im nachhinein wie ein Bewerbungsschreiben um die Führung Amerikas in der damals noch nicht abzusehenden Golfkrise. Als ehemaliger Chef einer Ölfirma brauchte ihm niemand etwas über die Bedeutung des Mittleren Ostens für die Aufrechterhaltung des „American Way of Life“ zu erzählen; eines der von ihm zuerst ausgedrückten Ziele der US-Politik am Golf. Aus seiner Zeit als Kongreßabgeordneter kannte er die unergründliche Logik des Parlaments, was ihm das Ausschalten der Volksvertreter erleichterte. Als CIA-Chef in den 70er Jahren wußte er mit den Geheimdiensten und mit „Intelligence“-Daten umzugehen. Und als ehemaliger Botschafter bei den Vereinten Nationen waren ihm die zahlreichen Fallen multinationaler Diplomatie wohlvertraut, was ihm bei der beispiellosen Koalitionsbildung half.

Doch schon im Herbst 1989 tauchten die ersten Zweifel an seiner Präsidentschaft auf. Wofür, so fragten sich viele, stand dieser Mann eigentlich? Er nannte sich einen „Erziehungs-Präsidenten“, doch das Budget für seine Bildungsinitiative machte 1/800 des geplanten Marsflugprogrammes aus. Die angekündigte Energiepolitik des selbsterklärten „Umwelt-Präsidenten“ ließ weiter auf sich warten. Seine Haltung zur Abtreibung war den meisten nach mehreren Richtungswechseln unklar. Und zehn Jahre, nachdem er als Vize die Reagansche Wirtschaftspolitik als „Voodoo economics“ gegeißelt hatte, schlug er jetzt selbst Steuererleichterungen vor.

Um den Eindruck von Kleinmut und Handlungsunfähigkeit zu zerstreuen, kam für George Bush das provokante Verhalten des ehemaligen CIA-Gehilfen Noriega im Dezember 1989 wie gerufen. Die von ihm daraufhin angeordnete Invasion war nicht zuletzt eine (Über)Reaktion auf das in den Medien wiederauftauchende Bild von „Bush, dem Waschlappen“. Nach der völkerrechtswidrigen Invasion Panamas währte das neue Vertrauen der Amerikaner in die Kompetenz und Tatkraft ihres Präsidenten ungefähr ein halbes Jahr. Dann sorgten der Umgang seiner Administration mit dem lange vertuschten Ausmaß des Sparkassenskandals, der Bruch seines Steuerversprechens und seine klägliche Vorstellung bei den Haushaltsverhandlungen mit dem Kongreß für ein Wiederaufleben der alten Kritik.

Manche verglichen ihn schon mit dem glücklosen Jimmy Carter; und da George Bush eben kein Erdnußfarmer, sondern letztlich doch ein WASP war, war es von dort nicht mehr weit bis zu dem neuerlichen Vorwurf des inkompetenten Weichlings.

Den hat der Präsident mit seinem geschickten und unnachgiebigen Management des Golfkriegs nun wohl endgültig entkräftet. Durch den Sieg ist George Bush endlich vom Waschlappen zum allseits anerkannten Weltpolizisten aufgestiegen. Daß dies an der innenpolitischen Hilflosigkeit ihres 41. Präsidenten nichts ändert, wird den US-Bürgern erst nach dem gegenwärtigen Triumphtaumel aufgehen, wahrscheinlich erst nach Bushs Wiederwahl im Herbst 1992. Rolf Paasch, Washington