Verhandeln und Handeln

■ Die Intervention der Armee in Kroatien bezweckt eine Änderung der Republikgrenzen

Es war ein vernünftiger Vorsatz, die Zukunft Jugoslawiens durch Verhandlungen der erstmals demokratisch gewählten Politiker aus den sechs Republiken bestimmen zu lassen. Die Gipfeltreffen — am letzten Freitag fand bereits das siebente statt —, bei denen nach einem Ausweg aus der verheerenden Staatskrise gesucht werden soll, wird aber von Belgrad aus systematisch hintertrieben.

Wer alles hinter den Drohungen der Militärstaatsanwaltschaft gegen kroatische Regierungsmitglieder und hinter den „Aufständen“ der serbischen Minderheiten in Kroatien und anderswo steckt, bleibt noch unklar. Was damit bezweckt werden soll, wird um so deutlicher. Einerseits wollen die serbisch-kommunistischen Kreise in Belgrad die neue demokratische Regierung Kroatiens demontieren, andererseits soll — Gespräche hin, Gespräche her — das Territorium eines zukünftigen Großserbiens, das möglichst alle Gebiete der serbischen „Diaspora“ in Jugoslawien umfaßt, gesichert werden. Nach dem Willen des serbischen Präsidenten Milosevic soll die „Zukunft Serbiens“ auch außerhalb der Republikgrenzen „geschmiedet“ werden. Um diese „Zukunft“ finanziell zu sichern, wurden bereits die Bundeskassen geplündert und kroatische Unternehmen in Serbien enteignet. In diesem Konzept bleibt kein Raum für ernsthafte Verhandlungen.

Der Überfall serbischer Freischärler auf die Polizeistation im kroatischen Pakrac war das letzte Signal für die eher zögerliche kroatische Regierung, daß die Zeit zum Handeln gekommen war. Offensichtlich war sie diesmal gut vorbereitet. Der erfolgreiche Einsatz der Sondereinheiten der Polizei ging einher mit politischem Handeln. Stipe Mesic, der besonnene Vertreter Kroatiens im jugoslawischen Staatspräsidium, war sogleich nach Pakrac gefahren und sprach demonstrativ mit den aus ungeklärten Gründen anwesenden Offizieren der jugoslawischen Armee über die Lage. Unterstützung für die Aktion der kroatischen Regierung kam auch von dem jugoslawischen Regierungschef Markovic, der die „Diversion“ der serbischen Terroristen verurteilte. Nur der turnusmäßige Vorsitzende des jugoslawischen Staatspräsidiums, Borisav Jovic, meinte wieder einmal, die Stunde der Armee als Schützerin der serbischen Interessen sei gekommen, und setzte sich eigenmächtig für eine Intervention gegen die kroatischen Polizisten ein. Durch das schnelle Handeln der kroatischen Führung wurden solche Pläne vereitelt.

Ob die Offiziere, die sich immer wieder für solche antidemokratischen Aktionen verdingen und deren Namen der kroatischen Regierung bekannt sind, zur Verantwortung gezogen werden, bleibt allerdings offen. Die jugoslawische Armee täte gut daran, gegen sie vorzugehen.

Der von Kroatien und Slowenien angestrebten friedlichen Lösung der Staatskrise durch Umwandlung der Föderation in einen Staatenbund stehen viele Hindernisse im Wege. Erst jetzt scheint sich innerjugoslawisch einiges in diese Richtung zu bewegen, weil die Teilrepubliken Mazedonien und Bosnien/Herzegowina sich vorsichtig auf die Seite von Kroatien und Slowenien schlagen. Die angestrebte konföderative Ordnung soll auf der Grundlage der KSZE-Charta über die Unveränderbarkeit der Grenzen vollzogen werden. Die Grenzen zwischen den jugoslawischen Republiken sind sicherlich wie in vielen Teilen Europas nicht ideal. Aber alle Beteiligten außer den Serben bestehen darauf, daß diese Grenzen nicht Thema von Verhandlungen sein können und daß die Probleme der Minderheiten nach demokratischen und menschenrechtlichen Prinzipien geregelt werden müssen. Zu deutlich führt die serbische Führung mit der grausamen Unterdrückung der Albaner im Kosovo den anderen jugoslawischen Völkern vor Augen, wie sie mit Menschenrechten von Minderheiten umgeht.

Die anderen Republiken werden nicht nur verhandeln, sondern auch handeln müssen. Bevor es zu einer vernünftigen Neuordnung Jugoslawiens kommen sollte, müssen die jetzigen Republikgrenzen erst gegenüber Serbien verteidigt werden. Dunja Melcic

Die Autorin ist Redakteurin der Monatszeitschrift 'Kommune‘ in Frankfurt a.M.