Bitte nicht im Gewächshaus

■ Peter Weirs neuer Film „Green Card“ mit Andie MacDowell und Gérard Depardieu

Schauspieler sind da , sagte Fassbinder immer und bewies es, indem er die deutschen Stars der fünfziger und sechziger Jahre für seine Filme wiederentdeckte. Nur Fassbinder ist leider nicht mehr da. Warum gibt es in Deutschland eigentlich keine Filme über Liebe mehr, komische oder traurige, kitschige oder ehrliche? Das Phänomen ist doch hier nicht unbekannt. Zur Erinnerung: Frau liebt Mann, Mann liebt Frau, Mann liebt Mann, Frau liebt Frau und so weiter. Man komme jetzt nicht mit der glücklicherweise abgeflauten Männerfilmwelle oder van Ackeren. Das waren doch als Komödien etikettierte sozialpsychologische Traktate. Nein: Ich meine Filme, die von ganz bestimmten, einzelnen, unwiederholbaren Personen handeln und wie sie aneinandergeraten. In Finnland gibt es Aki Kaurismäki, in Frankreich Patrice Leconte und immer noch Eric Rohmer und immerhin Michel Deville, in Amerika gibt es die Fabulous Baker Boys, die Gefährlichen Liebschaften, den Krieg der Rosen, Pretty Woman und Woody Allen und jetzt Green Card.

Die Anfangssequenz von Green Card ist irreführend. Andie Mac Dowell — die kühle Schöne aus Sex, Lies and Videotapes — kauft in der New Yorker U-Bahn eine Rose. Sie wirkt wie elektrisiert vom Betrieb der an- und abfahrenden Züge und von dem kleinen Trommler — Weir hat ihn tatsächlich in der Subway entdeckt —, der auf einem Benzinkanister ein Solo schlägt, auf das Art Blakey stolz gewesen wäre. Eigentlich ist die Hektik der Stadt, die nicht aufhört sich zu feiern, nicht gerade nach Brontes Geschmack. Denn Bronte — so heißt MacDowell im Film — liebt Pflanzen, die sie mit Mozarts Klarinettenkonzert beschallt. Nur darum heiratet sie den ominösen französischen Komponisten und Afrikareisenden Georges — Gérard Depardieu —, der seinerseits eine Aufenthaltsgenehmigung braucht. Bronte will unbedingt diese Wohnung mit Gewächshaus und Dachgarten, und die Vermieter wollen halt ein honoriges Ehepaar.

Aber die Einwanderungsbehörde kommt der Scheinehe auf die Spur, und Bronte und Georges müssen zusammenziehen und Harmonie vortäuschen, wo sie sich abgrundtief fremd sind. Bronte — allein der Name! — trägt Reformkleider und windet sich das Haar in festgezurrten Zöpfen zu Kränzen, sie ißt Müsli, trinkt koffeinfreien Kaffee, leistet Sozialarbeit und pflegt grundehrliche Beziehungen mit faden Vegetariern. Georges ißt sein Roastbeef „bleu“, trinkt Espresso, raucht — und wie sie das Gesicht verzieht: bitte nicht im Gewächshaus.

Gérard Depardieu, der besonders in seinen letzten französischen Filmen keineswegs ein so grandioser Schauspieler ist, wie ständig behauptet wird, sondern es irgendwie geschafft hat, sein kurzschrittiges Tapsen, fuchtelndes Gestikulieren, schweratmendes Durch-die-Nase- Sprechen als Intensität zu verkaufen, wirkt hier plötzlich leicht, schnell, regsam und diszipliniert. Peter Weir, ein erklärter Verehrer Depardieus, muß trotz dieser Verehrung gründlich mit ihm gearbeitet haben. Weirs Liebe zu den Schauspielern — und zwar zu den kleinsten Nebenrollen ebenso wie zu den Hauptdarstellern — hat die Genauigkeit einer Leidenschaft, die ihr Objekt nicht einfach haben konnte, sondern es erst erforschen mußte, um es zu überlisten und schließlich für sich zu gewinnen.

Diese Genauigkeit hat auch der ganze Film. Nur Peter Weir weiß als der Erzähler alles, aber er hält aufs zärtlichste haus mit diesem Wissen. Als Zuschauer ahnt man zwar einiges, aber wird durch Weirs kleine Anspielungen, durch den Einsatz der Musik und andere virtuose Regietricks ständig ein bißchen im unklaren und also wach gehalten. Als einzige wissen die beiden Liebenden noch nicht, daß sich ihre nur formell bestehende Beziehung längst mit Leben gefüllt hat. Sie erkennen einander erst, als es fast zu spät ist. Denn natürlich finden sie sich. Aber wie! Thierry Chervel

Peter Weir: Green Card . Von Peter Weir, mit Andie MacDowell, Gérard Depardieu, Kamera: Geoffrey Simpson, Musik: Hans Zimmer. USA 1990, ca. 100 Minuten.