Machtwechsel in Mainz — jetzt oder nie

Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 21.April wird spannender denn je/ Boom oder Bauchlandung für Rot-Grün?  ■ Aus Mainz J. Weidemann

Wenn Rheinland-Pfalz am 21. April wählt, steht auch für Helmut Kohl einiges auf dem Spiel: Die Wahlen sind der erste Stimmungsmesser für die wortbrüchige Steuerpolitik der Bonner Koalition. Verliert die CDU nach 44 Jahren (!) die Macht in Mainz, wäre das nicht nur der Denkzettel für Kohl, sondern — im Falle einer SPD- Regierung — die Bundesratsmehrheit gegen die Bonner Koalition. Für den rheinland-pfälzischen SPD- Chef Rudolf Scharping (43) rückt der Machtwechsel in greifbare Nähe. Die Devise lautet: Jetzt oder nimmer! Wenn der Partei die vom SPD- Wahlsieg im benachbarten Hessen noch verstärkte Power nicht ausgeht, ist ein Wahlergebnis wie bei den Kommunalwahlen im Sommer 1989 denkbar: SPD 42,5 Prozent, CDU: 37,6 Prozent. Auch für die Grünen kommt am am 21. April die Stunde der Wahrheit: War Hessen nur ein kurzes Hoch vorm Aus? Oder reicht es auch in Mainz für Rot-Grün?

Der Landesverband ist inzwischen aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Am vergangenen Wochenende holte der Landeshauptausschuß der Partei endlich nach, was die Grünen auf ihrem letzten Landesparteitag vor der Wahl im Januar verbummelt hatten: die Wahlkampferklärung. Das Besondere daran: Erstmals versuchen die Grünen, nicht zwanghaft Front gegen die SPD zu machen. Realpolitische Reform- Grüne, deren Zahl wächst, sehen darin ein „indirektes Bekenntnis zu Rot-Grün“ und spüren den „Willen zum Machtwechsel in Mainz“. In Mainz geht es am 21. April auch um die letzte christlich-liberale Koalition in den alten Bundesländern: Zeigt die Wählerschaft hier der CDU die rote Karte oder kommt es gar zu einer sozial-liberalen Koalition, so werden sich auch die FDP-ParteistrategInnen in Bonn fragen, ob sie noch am rechten Partner kleben. Der rheinland-pfälzische FDP-Chef und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle nennt die CDU schon heute eine „träge alte Tante“.

Nach einer Wahlniederlage in Mainz könnte zudem in der CDU erneut die Führungsdebatte aufbrechen, die Kohl mit seinem Einheitscoup für immer gebannt hielt. Das geht gegen CDU-Chef Helmut Kohl. Er hat jahrelang die Landesfürsten entweder vernächlässigt (Mainz) oder bekämpft (Stuttgart). Wollte Kohl bislang neben sich keine andere Größe dulden, so könnte er nach einer Niederlage in Rheinland-Pfalz in der Tat einsam an der Spitze stehen: Der Union fehlt der Mittelbau. Zwischen Kohl und der Restpartei klafft die Lücke. Führungstalente im Alter zwischen 40 und 50 fehlen.

Auch Mainz zeugt von diesem Mangel. Nach dem Abschuß des Ministerpräsidenten Bernhard Vogel geht die CDU nun mit einem gakeligen „Tandem“ in die Wahl: vorne Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (61), hinten CDU-Landeschef Hans-Otto Wilhelm (50), der den Vogel abschoß, und Wagner — falls die CDU die Wahl gewinnt — nach zwei Jahren als Ministerpräsident ablösen will.

Nicht nur, daß ein solches „Tandem“ schon einmal im Straßengraben landete — Modell Albrecht/ Süssmuth in Niedersachsen. Nein, das Mainzer „Tandem“ tritt nicht einmal im Takt: Hintermann Wilhelm will ständig überholen und den Lenker an sich reißen. Wilhelm — von Kohl bisher alles andere als gesponsert — ist ob seiner Dynamik der letzte Hoffnungsschimmer der CDU in Mainz. Nach seiner Vogeljagd war er losgezogen, in der Landes- CDU auch die anderen Altvorderen auf Vordermann zu bringen. Damit ist er bisher gescheitert — am „Kartell der Mufus“, wie Jung-UnionistInnen die Multifunktionäre im Mittelbau der CDU nennen. Den Mief der „Mufus“ konnte selbst der frische Wind eines neuen wilhelminischen Zeitalters noch nicht wegpusten. Oder war Wilhelms Kampf gegen den Filz seiner Partei nur heiße Luft? Der CDU kann's nun passieren, daß die WählerInnen ihr am 21. April einen einstweiligen Luftwechsel verordnen: auf den Bänken der Opposition des Mainzer Landtags.