Die serbischen Medien im Dienst von Milosevic

Für die Herrschaftssicherung und die nationalistischen Kampagnen des serbischen Führers spielen die Medien eine zentrale Rolle  ■ Von Dunja Melcic

Serbiens Führer Milosevic mußte zum ersten Mal nachgeben. Auf den Druck der serbischen Opposition und der Belgrader Studenten, die von der gesamten Intellektuellenszene unterstützt wurden, mußten die Propagandisten seiner Politik ihre Bastion in den serbischen Medien räumen. Falls er sie nicht wieder durch Gesinnungsgenossen ersetzen kann, könnten die Tage seiner Herrschaft gezählt sein. Er würde sein wesentliches Machtinstrument, die Manipulation mittels der Medien, verlieren.

Als Milosevic mit Hilfe einer Kaderrevolution in den Reihen der serbischen Partei 1987 an die Macht kam, wurden verzerrende Berichterstattung und verleumderische Artikel gegen unliebsame Politiker zum wichtigsten Mittel zur Durchsetzung seiner Politik. Flankiert wurde Milosevics aggressive Medienpolitik durch eine mobile Einsatztruppe, die auf das Organisieren von Demonstrationen spezialisiert ist. Der erste erfolgreiche Einsatz dieser Machtmittel war der Sturz der Führung in der serbischen autonomen Provinz Wojwodina.

Danach begann die Kampagne gegen die Kosovo-Albaner und die führenden Politiker der Provinz. Berichte wurden lanciert, die Albaner wollten die Serben aus der Provinz Kosovo vertreiben, die Kosovo-Serben befänden sich in ständiger Lebensgefahr. Als die albanischen Bergleute sich mit einem Streik in den Berggruben von Stari Trg 1989 der geplanten Aufhebung der Autonomie widersetzten, wurden sie in den serbischen Medien verunglimpft. Systematisch wurde so eine Stimmung erzeugt, in der dann die Verhaftung albanischer Politiker sowie die Mißhandlung und Tötung albanischer Demonstranten ohne serbischen Protest hingenommen wurde.

Schon während des Kosovo-Konflikts wurden die Slowenen, die die meisten Solidaritätsaktionen mit den Albanern organisierten, zu Verrätern gestempelt. Diese Kampagne entfaltete sich vor dem Hintergrund eines jahrhundertealten Konflikts zwischen Kroaten und Serben in diesem Raum. Er basiert auf kulturellen, konfessionellen und zivilisatorischen Unterschieden zwischen den beiden Völkern, bei gleichzeitiger enger Verwandtschaft sowie einer nicht bewältigten Geschichte um den kroatischen Faschismus im Zweiten Weltkrieg, bei dem die Ausrottung der Serben auf dem Plan stand. Der Sieg der nationalistischen kroatischen Partei und ihres Führers Franjo Tudjman bei den ersten freien Wahlen in Kroatien im vorigen Fühling war für die serbischen Medien schlicht und einfach ein Sieg der „kroatischen Faschisten“.

Offenkundig aber steht das Votum der Mehrheit der Kroaten für eine Partei, die sich mit einfachen Formeln als energische Hüterin der nationalen Interessen darzustellen wußte. Die serbische Öffentlichkeit aber wurde von Anfang an darauf getrimmt, gegen das „Schlachten“ der serbischen Brüder in Kroatien ins Feld zu ziehen. Die serbische Minderheit in Kroatien spielte ihren Part bereitwillig mit. Für die bewaffnete Gruppe in Knin, die seit einem halben Jahr die kroatische Politik in Schach hält, haben sogar jene Teile der serbischen Opposition Verständnis, die sich als demokratisch und nicht nationalistisch verstehen, wie die Demokratische Partei.

Da die serbischen Medien schon seit Jahren vergeblich auf die von Albanern bzw. Kroaten ermordeten Serben warten, mußten sie vor lauter Ungeduld endlich selbst welche schaffen. Namen der angeblich getöteten Serben bei den Auseinandersetzungen im kroatischen Pakrac, einem Städtchen von 6.000 Einwohnern, davon mehr als 30 Prozent serbisch, wurden von den serbischen Medien erfunden.

Das Verhalten der serbischen Opposition gegenüber den Machenschaften der Medien hat auch ein Teil der Schuld daran, daß sie zu einem kriminellen Machtinstrument der großserbischen Politik geworden sind. Erst als sich Milosevics Nachrichtenmaschine gegen die Opposition selbst wandte, Lügen über ihre Spitzenpolitiker verbreitete und ihnen die Worte im Mund verdrehte, regte sich der Protest gegen das Medienmonopol. Der Protest erreichte einen ersten Höhepunkt bei der Wahlkampagne in den Herbstmonaten, denn der Opposition war der Zugang zu den Medien nur beschränkt erlaubt, und sie wurde ohnehin ständig mit unlauteren Mitteln mies gemacht. Ihr schlechtes Abschneiden bei den Wahlen im Dezember rechnet die Opposition in entscheidendem Maße der Medienpolitik der kommunistisch-sozialistischen Machthaber zu.

Das blutige Wochenende in Belgrad hat die politische Situation in Serbien von Grund auf geändert. Die Serben haben ein Stück zu ihrer freiheitlichen Tradition zurückgefunden. Hier ist eine psychologische Barriere gebrochen worden, so daß eine Umkehr zur nationalen Einheit àla Milosevic nicht mehr möglich ist. Das intellektuelle Serbien steht nun auf einer Seite gegen Milosevic. Daß die Opposition die Unterstützung der demokratischen Politiker anderer Republiken trotz der traditionellen Feindschaft zwischen den Völkern bekam, wird sich ebenfalls nachhaltig auswirken.