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Auf den Spuren der Metropole — ab durch die Berliner Mitte

■ Die Friedrichstraße hat eine berühmte und schillernde Vergangenheit und soll nach den Plänen der Stadtgestalter auch eine glänzende Zukunft haben/ Ein Streifzug durch die vergangene und zukünftige Lebensader der Metropole von EVA SCHWEITZER

So oder ähnlich könnte es in der Friedrichstraße in zehn oder fünfzehn Jahren aussehen. Zumindest, wenn es nach Hanno Klein geht, dem Investorenbetreuer des Senats für die alte Stadtmitte. Interessenten aller Herren Länder, die bereit sind, bis zu 20.000 Mark für den Quadratmeter auf den Tisch zu legen, geben sich derzeit in Kleins Büro in der nahegelegenen Behrensstraße die Klinke in die Hand. Kein Hochhausbeton wie zu SED-Zeiten soll die Straße zwischen dem Oranienburger Tor in Mitte und dem Halleschen Tor in Kreuzberg künftig verunzieren: Sie soll in ihrer alten Herrlichkeit und in ihren historischen Baufluchtlinien wieder entstehen. »Die Investoren wollen den Hintergrund der klassizistischen Metropole Berlin und keine gesichtslosen Hochhäuser«, sagt der Kreuzberger Stadtplanungsamtsleiter Ortwin Ratei.

Angelegt wurde die über drei Kilometer lange schnurgerade Straße unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I, der zwischen 1713 und 1740 über Preußen herrschte. Damals war sie der Marschweg der preußischen Soldaten zum Exerziergelände auf dem Tempelhofer Feld. Die große Zeit der Friedrichstraße als Amüsiermeile begann erst nach der Reichsgründung 1871, als sich die Einwohnerschaft Berlins verdreifachte. Vornehme Geschäfte, Cabarets, Theater, Varietes, Kinos, edle Restaurants und mondäne Kaffeehäuser prägten ihr Bild.

Von der Filmmeile zu Disneyland

Davon ist heute am Kreuzberger Mehringplatz — der einst Belle-Alliance-Platz hieß — nichts mehr zu erkennen. Die Friedrichstraße endet hier. Schmucklose Sozialwohnungen auf Stelzen umringen einen steinernen Engel in der Mitte einer Fußgängerzone. Das wird sich ändern: Läden und Restaurants sollen in die Häuser einziehen, damit »urbanes Leben entsteht«, meint Klein. Unter dem Platz, zwischen den U-Bahnhöfen, könne man eine große Halle mit Oberlicht anlegen. Und auf dem Platz könne eine Mittelinsel für die Fußgänger bleiben. Ansonsten solle der Verkehr wieder durch die Friedrichstraße fließen, über die Hallesche Brücke — »der Busbahnhof da muß natürlich weg« — und dann auf neuen Straßen rechts und links an der Gedenkbibliothek vorbei. Hier begann — Jahrhunderte zuvor — die mittelalterliche Landstraße nach Halle und Leipzig und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stand dort das Hallesche Tor. Sogar das könnte dort wieder errichtet werden, schlägt Hanno Klein vor — nicht unbedingt in Originalgestalt, obwohl immerhin das Kreuzberger Tiefbauamt die alten Säulen aufbewahrt habe.

Hinter den Hochhäusern am Mehringplatz — über ein weiteres Hochhaus an der Franz-Klühs-Straße wird diskutiert — geht es in den südlichen Teil der Friedrichstraße: Zerstückelt ist sie hier, mit breiten Schneisen zwischen Imbißbuden und wenigen alten, verkommenen Häusern. Dazwischen erinnern die Experimentierfassaden der Internationalen Bauausstellung an Disneyland.

Die Zerstörung der Friedrichstraße begann am Vormittag des 3. Febuar 1945. Binnen anderthalb Stunden wurde der Südteil der Straße von amerikanischen Bombern in Schutt und Asche gelegt. Was übrig blieb, fiel in den sechziger Jahren der Autobahnplanung des Senats und der geplanten Verbreiterung der Straße zum Opfer. Der Unwirtlichkeit der Straße konnte auch die Internationale Bauausstellung nichts entgegensetzen. Das, was die Stadt wohnlich macht — vom Kino bis zum Zigarettenautomaten —, fehlt, auch nach der Maueröffnung.

Selbsterfahrung in der Offizierswohnung

Schon um die Jahrhundertwende war im Südteil der Straße die Berliner »Filmmeile«. Nahe der Hedemannstraße lag 1904 das erste Berliner Kino, der »Kinematograph«. Das Ehepaar Scherer führte dort Stummfilme mit Klavierbegleitung vor, die um acht Minuten dauerten, Mord in der Heide oder Hinter Haremsgitter hießen und zwei Groschen Eintritt kosteten. Die großen amerikanischen Filmfirmen wie Paramount und Metro Goldwyn Meyer unterhielten hier Produktionsstätten. In der Friedrichstraße 17 starben 1923 fünfzehn Arbeiterinnen bei einem Großbrand, als eine Zigarette in das leichtentzündliche Zelluloid flog. Schräg gegenüber in der Friedrichstraße 235, gaben Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die 'Rote Fahne‘, das Zentralorgan des Spartakusbundes heraus.

Heute sind nur noch drei alte Häuser übriggeblieben, darunter die Friedrichstraße 31, eine wilhelminische Burg mit figurenbesetzten Balkons, hohen Stuckdecken und Parkettböden, voller Wohngemeinschaften, Selbsterfahrungsgruppen und etwas obskuren Firmen, vom Werbebüro bis zur psychosozialen Beratung. In der Nachkriegszeit arbeitete dort noch eine Schneiderei, zuvor lebten dort Offiziere, erzählt Michael Reimann, einer der wenigen verbliebenen Mieter des Hauses. Das Nachbarhaus wurde vor fünfzehn Jahren abgerissen. Es hatte Risse im Mauerwerk, wegen der Erschütterungen durch die U-Bahn, hieß es. Auch im Mauerwerk der Friedrichstraße 31 zeigen sich Risse. Das Haus ist auf Pfählen gebaut, denn der Grund darunter besteht aus Faulschlamm. Hier verläuft das Urstromtal der Spree.

Neben dem Haus erstreckt sich — etwas zurückgesetzt — eine grüne Halle: Der Blumengroßmarkt. Das im Krieg zerstörte Original stand schon zu Kaisers Zeiten hier und galt als größter Blumenmarkt Europas. Inzwischen wird der Markt eher als störend empfunden, nicht nur wegen der allmorgendlichen LKW- Schlange. »So was hat in der Innenstadt nichts mehr zu suchen«, meint Hanno Klein, der hofft, daß sich das Monstrum spätestens 1995 ins Umland verlagert.

Multi-Media-Show an der Mauer-Gedenkstätte

Hinter dem Polizeigebäude und dem vom Reichsadler gekrönten Landesarbeitsamt — als Gauarbeitsamt in den dreißiger Jahren im Speerschen Stil erbaut — liegt die quirlige Kreuzung mit der Kochstraße. Dort gründete Karl Springer 1907 das erste »Automatenvariete«. Darin konnnte man mit einem Groschen zweie gewinnen — oder auch nicht. Die Idee fand bald Nachahmer, aber auch Kritik. So beschwerte sich 1908 ein Leser der 'Berliner Morgenpost‘ über die »raffinierten« Geldautomaten. Weiter nördlich, direkt am ehemaligen Checkpoint Charly, steht das »Barockhaus«, das älteste noch erhaltene Haus der Straße. Der Kurfürst Friedrich III soll seinem Hofpostmeister Johann Jakob Borchwardt das Grundstück gegen Ende des 16. Jahrhunderts geschenkt haben. Von 1732 bis 1738 ließen Borchwardts Erben ein zweistöckiges Haus darauf errichten. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts florierte dort die Apotheke »Zum weißen Adler«. Elisabeth Menzel, die Schwägerin der preußischen Exzellenz Adolf von Menzel empfing dort in ihrem Salon Berliner Schriftsteller, darunter Theodor Storm, Fritz Reuter und Ferdinand Lasalle. Erst vor gut hundert Jahren wurde das Haus von zwei auf vier Stockwerke aufgestockt. Nach dem Krieg vergessen, wurde es vor einigen Jahren renoviert. Seitdem erinnert das »Café Adler« an die großbürgerliche Vergangenheit.

Neben dem barocken Überbleibsel glänzt eine schwarze IBA-Fassade, unten im Hause befindet sich eine — inzwischen überflüssige — Wendekehre für die Fahrzeuge der Alliierten. Statt dessen könne man dort eine »kulturelle Nutzung« einbauen lassen, meint Senatsplaner Klein. Er verhandelt mit einem »amerikanischen Investor«, der eine Multi-Media-Show über die Mauer aufziehen will, gegen die das Breitwandkino am Europa-Center »dilettantisch« wirken wird, versichert Klein. An amerikanischen Investoren ist am Checkpoint kein Mangel: Nike, der Turnschuhriese aus Atlanta will seinen »Flagship-Store« auf dem dreieckigen Platz hinter dem Checkpoint errichten. Für die gegenüberliegende Ecke interessiert sich unter anderem der ehemalige amerikanische Botschafter in Ungarn, Marc Palmer, der dort Boutiquen und Büros errichten will. Und südlich davon balgen sich gleich fünf Interessenten um einen Parkplatz der Alliierten.

Ein Projekt ganz anderer Art entsteht bereits hinter dem »Museum am Checkpont Charly«, an der Brandmauer des Union-Verlages, wo das alte Checkpointhäuschen steht. Dort will Museumschef Rainer Hildebrandt auf 50 mal 50 Metern ein Stück deutsch-deutscher Grenze als Mahnmal nachbauen; mit Wachturm, Schlagbaum, Mauerstück, einer Original-Bogenlampe und Informationskästen für Besucher.

Wir durchqueren weiter das alte Zeitungsviertel und überqueren die Leipziger Straße. Dort, gegenüber dem Rundbau des Spielcasinos, wird das Medienzentrum des Großverlages Bertelsmann entstehen, dem Anteile des Verlags Gruner+Jahr und damit der ehemals PDS-eigene Berliner Verlag gehören. Redaktionen und Verlage, Fernseh- und Radiostudios und ein Kino sollen sich hinter den Glasfassaden ansiedeln, wünscht sich Bertelsmann-Vorstand Manfred Lahnstein. Das Gebäude soll an die Tradition der Berliner Großstadtarchitektur der zwanziger und dreißiger Jahre anknüpfen und wird die Leipziger Straße wieder auf ihre alte Breite von 21 Metern reduzieren. 100 Millionen Mark will Bertelsmann dafür investieren. Nur die »Grundstücksfrage«, so Lahnstein, müsse noch geklärt werden.

Die »Tuntenbrosche«

Die Frage, wem welches Grundstück gehört, ist die empfindlichste Schwachstelle beim künftigen Städtebau im ehemaligen Ost-Berlin. Die Baustadträtin des Bezirks Mitte, Dorothee Dubrau, befürchtet sogar, daß Baustellen auf Monate, wenn nicht Jahre lahmgelegt werden könnten. Hanno Klein hingegen bleibt optimistisch. »Dort, wo benachbarte Alt- Eigentümer mit uns zusammenarbeiten, wird es auch klappen«, meint Klein. Und außerdem könne man auf das Investitionsgesetz der Bundesregierung zurückgreifen, das Investitionen in bestimmten Fällen erlaubt. Das Land Berlin müsse nur genug Luft — also Geld — übrig haben, um ein paar Entschädigungen zu zahlen.

In der Entstehung lahmgelegt wurde vor kurzem das letzte Großprojekt der SED-Stadtplanung, die pseudo-maurische, bombastische, von Architekten als »Tuntenbrosche« geschmähte Friedrichstadtpassage an der Französischen Straße. Vor dem Krieg residierten hier zahlreiche Lokale, darunter das Weinhaus »Luther & Wegner«. Am 23. Novemver 1943 wurde die ganze Pracht zerbombt. Der trostlose, unter Wasser stehende Rohbau der Friedrichstadtpassage, hinter einem parolenbeschmierten Holzzaun verborgen, soll demnächst abgerissen werden. Um das riesige Grundstück bewerben sich zwei europäische und zwei amerikanische Konsortien, die eine Mischung aus »hochwertigen Läden«, erschaffen sollen, wie es Klein vorschwebt. »In die Friedrichstraße werden Leute von Rostock bis Dresden zum Shopping kommen«, schwärmt Klein. Eine Einkaufspassage soll die Leipziger Straße mit Unter den Linden verbinden. Das französische Edelkaufhaus »Galerie Lafayettes«, verrät Klein, wird dann — zwischen dem französischen Dom und dem U-Bahnhof Französische Straße — seine teuren Tore eröffnen.

Die U-Bahn-Linie 6, zu der die Einkaufspassage einen direkten Zugang erhalten soll, wurde schon in den Jahren 1912 bis 1924 unter großen technischen Schwierigkeiten erbaut. Die Spree, die Panke und der Landwehrkanal mußten untertunnelt, die Bahn durch Faulschlamm und Moor gelegt werden. Der erste Weltkrieg entzog dem Bahnbau die Arbeitskräfte, so daß Frauen — wer sonst? — einspringen mußten. 1923 wurde die erste Teilstrecke zwischen Stettiner Bahnhof (heute Nordbahnhof) und Halleschen Tor eröffnet, das Geld hatte jedoch nicht ausgereicht, auch noch Fahrzeuge zu kaufen, so daß der Magistrat den U-Bahn-Betrieb an eine private Gesellschaft übertragen mußte. 1924 fuhr die U-Bahn zwischen See- und Belle-Alliance-Straße (heute Mehringdamm).

Senatsplaner Klein würde am liebsten nicht nur die abgesoffenen Rohbauten in der Friedrichstraße abreißen lassen, um die Blöcke in ihrer historischen Gestalt wieder zu erschaffen, sondern auch die bereits fertigen Hochhäuser, etwa das Interhotel Unter den Linden, das Hotel Metropol und das Handelszentrum am Bahnhof Friedrichstraße. Sicher der Spitzhacke zum Opfer fallen wird das Lindenkorso, ein eher tristes Kaffeehaus Unter den Linden. Für einen Neubau mit der von Klein generell favorisierten Mischung — Hotels, Cafés, Geschäfte, Kultur — interessiere sich ein »Investor aus dem Verlagsbereich«.

Vom »Strammen Hund« zum »Frauencafé«

In dieser Gegend begann in den zwanziger Jahren die »Freßmeile Friedrichstraße«: Unter den Linden lag das Literatencafé Bauer, in der Nähe des Bahnhofs eine Filiale des für seine billige Erbsensuppe berühmten »Aschinger«, daneben die Gaststätte »Zum Heidelberger«, wo der Medizinpionier Ferdinand Sauerbruch von der nahen Charité, Theodor Wolff, Chefredakteur des 'Berliner Tageblatts‘, und Friedrich Stampfer vom sozialdemokratischen 'Vorwärts‘ verkehrten. Weiter nördlich lag die preiswerte Studentenkneipe »Strammer Hund«, bei der Suppenteller gleich im Tisch eingelassen und das Besteck angekettet war. Hier gab es eine berüchtigte »Prärieauster«, ein Gemisch aus Ei. Worcestersuace, Ketchup, Öl, Pfeffer, Salz, Paprika, das garantiert wieder nüchtern machte, wie Liza Minelli im Berlin-Musical »Cabaret« vorführte. Später nannte sich das Lokal »Sing Sing«, und die Kellner bedienten in Zuchthausjacken. Ganz in der Nähe gab es um 1920 das erste Frauencafé Berlins.

Um den Bahnhof Friedrichstraße herum lagen — und liegen teils noch — die berühmten Berliner Theater und Varietes. Übrig blieb das Metropoltheater, das 1911 als »Berliner Eispalast« erbaut wurde. 1923 wurde das Haus von Hermann Haller zu einem Operettentheater umgebaut und in Admiralspalast umbenannt. Die Revue Tausend süße Beinchen lief dort, Hans Albers sang von der großen Freiheit. Haller wurde von den Nazis vertrieben, wie die ganze Friedrichstraßenkultur im Nationalsozialismus eingestampft wurde: Die Lokale wurden geschlossen, die Theater »arisiert«, die Zeitungen gleichgeschaltet. Der Admiralspalast wurde Goebbels Lieblingstheater. Nach dem Krieg, den der Palast relativ unbeschadet überstand, zog die Staatsoper ein, deren Domizil zerbombt wurden war und trat das Haus erst 1957 an das wiedergegründete Metropol-Theater ab.

Die »Lustige Witwe« wird abgewickelt

Heute spielt die Lustige Witwe im Metropol. Galgenhumor nennt man das wohl, denn das Metropol wird »abgewickelt«. »Wir können nicht noch ein Theater mit durchfüttern«, sagt der dafür eigentlich nicht zuständige Hanno Klein und: Denkmalschutz für Sozialstrukturen könne es nicht geben. Klein verhandelt schon seit einiger Zeit mit Friedrich Kurz, dem Betreiber des Hamburger Operettenhauses (Cats) und Neues Flora (Das Phantom der Oper). Kurz würde das Metropol gerne übernehmen und zwar auf Dauer. »Wir spielen unsere Musicals zehn Jahre, sonst würden sich die gewaltigen Umbauten nicht lohnen«, meint Kurz' Sprecherin Claudia Kratochviel. Und schließlich wäre es schade, wenn die Treuhand einen Supermarkt daraus mache.

Gegenüber dem schon schäbigen Kasten des Metropol steht die »Halle der Tränen«, die Vorhalle des einstigen Grenzbahnhofes. Umweltsenator Volker Hassemer will einen Wettbewerb für den Bahnhofsbereich ausschreiben. Klein hingegen findet, es reiche, wenn die Halle abgerissen werde und die Blöcke um den Bahnhof herum wieder hergestellt würden. An der westlichen Georgenstraße hat Klein bereits einen Investor an der Hand, einen Hollywood-Mogul, der ein »Multispread- Kino« aufmachen will. 20 Filme sollen dort parallel laufen, Restaurants und Boutiquen in den Zwischengeschossen weniger kulturbeflissene Berlinbesucher anlocken.

Danach überquert man die Weidendammer Brücke, deren preußische Adlerflügel Wolf Biermann besang. Zu linker Hand, am Berliner Ensemble neben dem Bertolt- Brecht-Platz, lag der alte Friedrichstadtpalast. Klein verhandelt mit einem Investor aus Dänemark. Ein Hotel könne an der Ecke stehen, den nun mit Containern vollgestellten Innenhof könne eine Glaspassage decken. Nördlich davon — gegenüber dem Neuen Friedrichstadtpalast — wurden neue Wohnungen errichtet. Eine alte Häuserzeile, in der unter anderem die DDR-Dichterin Christa Wolf wohnte, mußte weichen. Noch steht alles leer, 32 Mark Miete für den Quadratmeter ist offenbar selbst für Berliner Verhältnisse zuviel.

Wie der Anfang der Friedrichstraße ist auch das Ende eine nur noch schwache Erinnerung an vergangene Zeiten: Die aufgerissene Flanke des »Hauses der Technik« am Rande einer Sandwüste läßt nur vage ahnen, daß der Rest des imposanten Stahlskelettbaus einst eines der größten Kaufhäuser Berlins war. Wertheim baute das Haus um die Jahrhundertwende mit einer Passage zur Oranienburger Straße und einem überkuppelten Innenhof. Im ersten Weltkrieg diente es als Sanitätsdepot, danach als Ausstellungshalle und wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Die SED wollte eine breite Schneise durch den Hof schlagen und den Rest des Hauses abreißen, um eine Straße zu legen. Das wurde von jungen Leuten verhindert die das Haus besetzten. Aber ob die sich in der neuen Hochblüte des Kapitalismus halten werden können, ist fraglich. Das letzte Zeugnis, aus dem man die wechselvolle Geschichte der Straße ablesen kann, wird wohl bald einem Stahl- und Glasbau weichen.

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