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Hamburgs CDU streitet um „Spion“ Löffler

 ■ Aus Hamburg Jürgen Oetting

Ein Ratsdiener stöhnte: „So einen Medienauftrieb gab es hier zuletzt beim Besuch der englischen Königin.“ Die prunkvolle Treppe zum Plenarsaal der hamburgischen Bürgerschaft war am Mittwoch abend von ganzen JournalistInnenscharen belagert. Der „Spion“ kehrte in das Hamburger Landesparlament zurück. Nie zuvor wurde einem Hinterbänkler soviel Aufmerksamkeit zuteil. Die Bürgerschaftsverwaltung hatte den ehemaligen CDU-Abgeordneten Gerd Löffler in die letzte Reihe verbannt.

Im vorigen Spätsommer gehörte der stockkonservative Löffler noch mitten in die Fraktion. Doch die ließ ihn wie eine heiße Kartoffel fallen, als die Bundesantwaltschaft ihm Agententätigkeit für die Stasi und Landesverrat vorwarf. Seine Abgeordnetenimmunität wurde ungewöhnlich schnell und einvernehmlich aufgehoben, die CDU warf ihn aus der Fraktion, einem drohenden Parteiausschluß kam er durch Austritt zuvor. Der partei- und fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete verschwand für 70 Tage hinter den Mauern eines Gefängnisses.

Erst als persönliche und politische Freunde eine Kaution hinterlegten, konnte Löffler die U-Haft verlassen. Die Ermittlungen gegen ihn laufen weiter. Doch sein Anwalt meint, es käme höchstens eine Anklage „auf unterster Ebene“ zustande, weil Löffler allgemeinzugängliches Material an östliche Nachrichtendienste weitergegeben habe. Auch das ist strafbar, hat aber keineswegs die Dimension des Landesverrats.

In Hamburg werden derzeit ganz andere Vorwürfe diskutiert. Löffler und seine Freunde, der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Gerhard Orgaß und der emeritierte Politologieprofessor Winfried Steffani vermuten öffentlich, die Kampagne gegen Löffler sei eine vom CDU- Landesvorsitzenden Jürgen Echternach eingefädelte innerparteiliche „Strafexpedition“ gegen einen „Gerechtigkeitsapostel“.

Steffani und Orgaß behaupten, der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Martin Willich hätte im Sinne Echternachs und nicht im Sinne der Wahrheit agiert, als er mithalf, Löfflers Immunität aufzuheben. Steffani/Orgaß präsentieren einige Indizien, die ihre Verschwörungstheorie belegen könnten. So ist Willich auch Aufsichtsratsmitglied der Bank, die Löffler Geschäftskonten sperrte, ihn damit in Liquiditätsschwierigkeiten brachte und die Verhaftung dringlich machte — wegen Fluchtgefahr.

Martin Willich hat juristische Schritte gegen die Löffler-Freunde eingeleitet. Löffler klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Bürgerschaft, er will seine Immunität wiederhaben. Am Mittwoch wies er vor der Bürgerschaft alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe zurück. Reden durfte er nur, weil die kleine Frauenfraktion im Ältestenrat damit gedroht hatte, sie würde eine Auszeit beantragen und vor laufenden Fernsehkameras eine Geschäftsordnungsdebatte um das Rederecht fraktionsloser Abgeordneter beginnen. Ursprünglich wollten die großen Fraktionen dem angeblichen Spion keine Gelegenheit für eine persönliche Erklärung geben.

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