CSU kämpft um „Zukunftsfähigkeit“

Innerparteilicher Streit um Ausdehnung der CSU/ Angst vor Reaktionen der CDU/ Flucht nach vorne  ■ Von A. Funk und B. Siegler

„Die Betonung allein bayerischer Identität genügt nicht.“ Edmund Stoiber, bayerischer Innenminister und Vorsitzender der Grundsatzkommission der CSU, ist ein kluger Kopf. Er hat erkannt, daß nach der Wahlschlappe der CSU-Schwesterpartei DSU in den fünf neuen Bundesländern die CSU auf dem besten Weg ist, zu einer zahnlosen Provinzpartei zu verkommen. Erschwerend kommt hinzu, daß CDU und FDP in Bonn auch ohne die CSU regieren könnten und ausgerechnet der erste Mann der CSU, Parteivorsitzender Theo Waigel, als Finanzminister dem deutschen Volk unpopuläre Steuerhöhungen verkünden mußte. Deshalb meint Stoiber, die CSU dürfe „nicht nur eine bayerische Volkspartei“ sein, sondern müsse einen „bundesweiten, das heißt heute gesamtdeutschen Anspruch“ erheben. Es gehe ja schließlich um die „Zukunftsfähigkeit der CSU“. Doch Stoiber ist auch ein vorsichtiger Mann. Flugs fügt er hinzu, der bundesweite Anspruch gelte „unabhängig davon, in welchen Ländern man uns wählen kann“.

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Stoiber will sich in dem seit Wochen andauernden innerparteilichen Streit über die zukünftige Strategie der CSU nicht festlegen. Er läßt aber anklingen, daß für seine Person „ein unüberlegtes ,Weiter so‘ noch keine überzeugende Zukunftsstrategie“ sei. Damit zielt er auf Parteichef Waigel ab. Der will trotz des vernichtenden Wahlergebnisses der DSU mit nurmehr 1,5 Prozent in der ehemaligen DDR bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen unbeirrt an der finanziellen, ideologischen und logistischen Unterstützung der DSU festhalten. Waigel will der DSU noch eine weitere Bewährungsfrist und eine Chance zur Revitalisierung über die kommunale Ebene geben. Zunehmende Kritik in den eigenen Reihen weist Waigel damit zurück, daß bei einer Ausdehnung der CSU über die Grenzen Bayerns hinaus die CDU in Bayern antreten würde und die satten absoluten Mehrheiten der CSU im Freistaat dahin wären.

Waigels schärfster Kontrahent, der Chef der mächtigen Münchener CSU, Umweltminister Peter Gauweiler, läßt dieses Standardargument nicht gelten. „Unterordnung unter die CDU kommt nicht in Frage“, lautet seine Devise. Wegen wachsender Probleme der CDU in den neuen Ländern müsse die CSU notfalls schnell entscheiden. Dabei brauche sie die CDU nicht um Erlaubnis zu bitten. Gauweilers Staatssekretär Otto Zeitler drängt ebenfalls auf Eile. Die CSU dürfe sich „durch Drohgebärden der CDU nicht am Handeln hindern lassen“. Er stellt sich die Frage, ob die CSU „noch Partner oder bereits Gefangene der CDU“ sei. Als sauberste Lösung favorisiert er die Ausdehnung der CSU „zumindest“ auf die neuen Bundesländer.

Angesichts des massiven Widerstands in der Partei gegen seinen Kurs kündigte Waigel nach einer Sitzung des CSU-Vorstands an, daß man noch in diesem Jahr mit der CDU Gespräche über eine Ausweitung der CSU führen wolle. Schließlich gehe es um eine „optimale Bündelung der Kräfte im konservativen Lager“ in den neuen Bundesländern. Eine CSU-Ausweitung komme aber nur im Einvernehmen mit der CDU in Frage. Die Antwort der CDU ließ nicht lange auf sich warten. Eine Zustimmung zur Ausdehnung der CSU über die Grenzen Bayerns hinaus sei „nicht vorstellbar“, hieß es aus der CDU-Führung in Bonn. In der CDU vertritt man die Meinung, daß „die Einbindung der konservativen Kräfte in den Bundesländern der Ex- DDR nicht durch die Gründung neuer Parteien“ erfolgen solle. Erwin Huber, Generalsekretär der CSU, beeilte sich daraufhin zu betonen, daß die CSU trotz des von ihr betonten bundesweiten Anspruchs einen „Bruderkampf“ mit der CDU auf jeden Fall vermeiden wolle.

Um den Flurschaden möglichst gering zu halten, verdonnerte Waigel seine innerparteilichen Kontrahenten zum Schweigen. Strategische Überlegungen müßten in Zukunft „intern und nicht öffentlich“ angestellt werden. Doch schon kommt neues Ungemach auf die CSU zu. Was tun, wenn sich Landesverbände der DSU einfach der CSU anschließen? Der Thüringer DSU-Landesvorsitzende Paul Latussek hat eine derartige Fusion mit der CSU nicht ausgeschlossen. Angesichts solch ungelöster Probleme und um sein angeschlagenes Renommee aufzupolieren, betreibt Waigel die Flucht nach vorne. Er kündigte an, sich verstärkt um die Außenpolitik kümmern zu wollen. Der CSU-Parteivorstand berief dazu einen Arbeitskreis ein, dessen Vorsitz Waigel selbst übernehmen will. In der CSU-Landesleitung soll ein eigenes außenpolitisches Referat geschaffen werden. Mehrere bekannte Personen haben bereits ihre Mitarbeit zugesagt: der wegen seiner freundlichen Haltung zur chilenischen Junta umstrittene Würzburger Völkerrechtler Dieter Blumenwitz, der ehemalige Haus- und Hofhistoriker von Kanzler Kohl, Michael Stürmer, und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz. Der FDP, die die Außenpolitik bislang als ihre Domäne betrachtet hatte, beschied CSU-Generalsekretär Huber: „Monopole sind schädlich.“