Macht-und Herrschaftsverhältnisse in der Therapie

■ Sexueller Mißbrauch auf der Couch: ein Tabu kommt in Bewegung / Keine gleichberechtigte Beziehung möglich

und Herrschaftsverhältnisse in der Therapie

Sexueller Mißbrauch auf der Couch: ein Tabu kommt in Bewegung / Keine gleichberechtigte Beziehung möglich

Menschen, die sich in eine Therapie begeben, tun das in der Regel unter einem starken Leidensdruck, in der Hoffnung, dort schwerwiegende Ängste und Probleme, nicht selten Beziehungsprobleme, bearbeiten zu können. Die Einsamkeit zwischen Therapeuten und Klientin in der klassischen Gesprächstherapie, aber auch die intime Nähe der boomenden körperorientierten Verfahren lassen immer wieder Situationen entstehen, in denen die schon von Freud geforderte Therapeutische Abstinenz durchbrochen wird.

In einer Umfrage in den USA gaben fünf bis 16 Prozent der Therapeuten zu, sexuelle Kontakte zu ihren Klientinnen zu haben, zwei Prozent der Therapeutinnen bestätigten sexuelle Handlungen mit männlichen Klienten. Die Bremer Neurologin und Psychotherapeutin Elisabeth Pahl hält diese Zahlen für übertragbar auf die Bundesrepublik (s.a. Interview Mit E. Pahl in der taz vom 10.2.1990).

Verheerende Folgen

Die Folgen sind für die Klientinnen oft verheerend: die in der besonderen Therapie-Sitiation entstandenen Beziehungen haben in der Realität keinen Bestand. Statt der erhofften Nähe und Wärme bleibt ein tiefes Loch. Die an den Therapeuten geknüpfte Erwartung einer Stärkung des eigenen Selbst bricht in sich zusammen. Zurück bleiben oft Ekel und Selbstverachtung.

Nach einem Bremer Fall, den die taz vor etwa einem Jahr aufgriff, machten auch in Oldenburg ehemalige Mitglieder der Gestalt-Kooperative Oldenburg sexuelle Handlungen eines Therapeuten der Kooperative mit Klientinnen öffentlich. Zur Begründung seiner Intimkontakte äußerte Karl H., er achte sich und seine Bedürfnisse undzeige und lebe seine eigene Bedürftigkeit (s. Oldenburger Stachel 10/90). Was das für eine seiner Klientinnen bedeutete, erzählte sie der Redakteurin Rosvitha Krausz in einem Rundfunkinterview (s.u.). Der Fall hat in Oldenburg zahlreiche Aktivitäten des Therapie-und Beratungszentrums für Frauen ausgelöst. Im Herbst soll eine ganze Veranstaltungsreihe über „Macht in der Therapie“ für Klientinnen und TherapeutInnen anlaufen.

Mißbrauchserfahrungen in Traumatische Wiederholung

Therapien stellen für viele Frauen die Wiederholung einer schon bekannten, traumatischen Situation dar: schätzungsweise jede vierte Frau wurde in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht. Sie begeben sich in Therapie, um ihre daraus resultierenden Ängste und Beziehungsprobleme zu bearbeiten, erfahren hier aber auf der Suche nach Hilfe wieder nur Beachtung und Zuwendung als Sexualobjekt. Für den Bremer Psychoanalytiker Hans Haack (s. Interview rechts) entsteht dadurch eine Vertrauen-und Beziehungsunfähigkeit, die auch in einer weiteren Therapie kaum noch gekittet werden kann: „Eine solche Frau könnte sich höchstens noch in einer frauenspezifischen Therapiesituation, unter Geschlechtsgenossinnen, einigermaßen sicher fühlen. Trotzdem dürften Schäden bleiben, die irreparabel sind.“ asp