: Kein Zusammenwurschteln
■ »Schinkelwettbewerb«: Die Neugestaltung der Spreeufer von Friedrichshain und Kreuzberg
Gemessen an der symbolisch formulierten Auslobung, nämlich eine städtebauliche »Brücke« zwischen den wiedervereinigten Bezirken Friedrichshain und Kreuzberg über den einstigen »Grenzfluß« Spree zu schlagen, waren die meisten Ergebnisse des diesjährigen »Schinkel- Wettbewerbs« eher nüchtern — ernüchternd wie die Politik. Ein Bericht von rola
Natürlich mischten sich auch gesamtberlinerisch veranlagte Zusammenwurschtler, die nicht schnell genug die Spuren der Teilung beseitigen wollen, unter die 140 TeilnehmerInnen. Allein die vom Berliner Architekten- und Ingenieurverein (AIV) bestellten Juroren, die die begehrte Trophäe für junge ArchitektInnen und StadtplanerInnen alljährlich zum Geburtstag des großen Baumeisters verleihen, waren klug genug, unpolemische Antworten auf die »Brückenfrage« auszuzeichnen — und zum zweiten Mal in der Sparte »Landschaftsarchitektur« keinen ersten Preis zu vergeben, was eine Schande ist!
Bei der Erarbeitung ihrer architektonischen und städtebaulichen Konzepte für die Uferstreifen zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke, entwickelten alle Preisträger die metaphorisch beschworene Brücke über die Spree, nicht jedoch als verbindendes räumliches, sondern als trennendes Element beider Stadthälften. Durch die Stadt, so das Fazit, verläuft für sie nach wie vor strukturell und mental eine sichtbare Grenze. Deren noch existierende Geschichtlichkeit, nicht ihr Verschwinden, thematisierten die Gewinner, allesamt Nichtberliner, in ihren Entwürfen.
In der Fachsparte »Kunst und Bauen« legten Maria Peters und Peter Neideck (Braunschweig) eine über hundert Meter lange stählerne Wandscheibe über die Spree; eine Assoziation an die einstige Mauer. Funktional verbindet die Scheibe zwei bisher getrennte Teile Berlins, räumlich stellt die Brücke aber eine Teilung dar. Im Kontrast zur starken Horizontalität der Mauer verlaufen zu beiden Wandseiten leicht geschwungene Gehwegbögen, auf denen die Fußgänger die Brücke und ihre Umgebung zusätzlich als eine Inszenierung von Annäherung und Trennung erleben. Beim Hinaufgehen verliert die Wand an Höhe, bis sie an ihrem Scheitelpunkt nur noch als niedrige Brüstung fungiert und den Blick auf die Stadt in der Spannung zwischen frei und begrenzt hält.
Wie Peters/Neideck so thematisierte das Kölner Team Stefan Adler, Martin und Rainer Falke in der Fachsparte »Hochbau« die Vergangenheit der städtischen Randlagen und Brachflächen mit architektonischen Chiffren, die Trennung, Abbruch und Polarität durch 40 Jahre Teilung nicht leugnen. Ihr Konzept unterscheidet zwischen den Bereichen Hauptbahnhof auf der Friedrichshainer Seite und dem Kreuzberger Wohn- und Gewerbeviertel an der Köpenicker Straße. Das Bahnhofsgelände wird mit Hotel- Gastronomie- und Verwaltungseinrichtungen bebaut und in einen innerstädtischen Platz verwandelt. Eine schmale Fußgängerbrücke bindet ihn an die Kreuzberger Seite. Mit einer Betonung auf Querachsen, Torbauten und metaphorisch abgebrochenen Brückenköpfen an der Spree planen die Architekten aber eine Stadtgestalt, die mit der Geschichte der Teilung spielt, ohne sie zum nostalgischen Raum herabzuwürdigen, weil die vorhandene Altbausubstanz und einstigen Grenzlinie über Nahtstellen verbunden und nicht verwischt werden.
Die Stadtplaner Rieck/Schlattmeier/Wetzel/Zierer (Braunschweig) markierten die durch den Grenzverlauf entstandenen Kanten zwischen Friedrischshain und Kreuzberg. Ihr Grundgedanke war, daß sich eine »Brücke« über die Spree nicht mehr so einfach schlagen läßt. In Friedrichshain haben Mauerbau und Verkehrsplanung die einst spreenahen Wohnviertel verdrängt. In Kreuzberg bildete sich gleichzeitig eine spezifische räumliche Identität, die es zu erhalten gilt. Der Fluß zieht nach wie vor die Grenze zwischen den ungleichen Stadtteilen. Zugleich entwickelten die Städtebauer eine langgezogene Stralauer Halbinsel als Standort für ein eigenständiges Wohnviertel, das vom Wasser der Spree begleitet zum erlebbaren »Brückenraum« werden kann, ohne die historischen Identitäten aufzulösen.
Schließlich stellte der Entwurf von Mike Schlaich (Stuttgart) in der Fachsparte »Konstruktiver Ingenieurbau« nur ein zartes Band zwischen Ost und West dar. Seine Bogenbrücke über die Spree für Fußgänger und Radfahrer ist ein gleichnishaftes Zeichen der Verbindung, das in einfachster Form das Thema »Brücken schlagen« erzählt. Die schmale Brücke wirkt zerbrechlich und symbolisiert so nicht nur Annäherung, sondern zugleich die Gefahr der Auflösung und Brüchigkeit dieser neuen Vereinigung, geht man nicht sorgsam mit ihr um.
Mit den Ideen zu dem Ufergebiet Friedrichshain/Kreuzberg, das, wie der Potsdamer Platz, von einem hohen städtebaulichen Entwicklungspotential gekennzeichnet ist, ist den Schinkelpreisträgern etwas gelungen, was gerade die Entwürfe zum Potsdamer Platz noch nicht erreicht haben: Ein Maß an sachlicher Bescheidenheit und architektonischer wie städtebaulicher Brauchbarkeit.
Die Ausstellung ist noch bis zum 24. März im ehemaligen Esplanade täglich von 13 bis 18 zu sehen.
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