Ihr größter Sieg

■ Der TuS Walle hat sich selbst bezwungen und eine Schallplatte eingespielt

Lieber TuS! Mit euch im Studio, das ist mal was! Great! Also wie ihr euch selber besungen und bezwungen habt, das gibt es nur bei Walle, wie zu Recht euer Lied berichtet; und dafür wollen wir euch dereinst erhöhen, und eure Feinde aus der Handball-Bundesliga sollen eure Fußschemel sein, und ihr werdet, glaubt mir, sitzen zur Rechten Gotthilf Fischers.

Aber gedauert hat das! Bis erst mal Rainer die Spaghetti a la Kopfhörerkabel entworren hatte, wißt ihr noch! Und dann der erste Durchlauf: eine Handvoll Brummbässe aus'm Verein, nich, eure allerlautesten, daß der Refrain schon mal 'nen Grundanstrich hat; und alle in diesem schwitzstickigen 12-qm-Studio — eng wie eine Umkleidekabine und gelgen in einem ganz abseitigen Hinterhof: dort, wo selbst Woltmershausen schon wieder aufzuhören anfängt.

Ein bißchen ham wir ja schon gezittert im Regieraum, als die Mannsbilder ihr A-Cappella- Intro nicht richtig in'n Takt gekriegt haben, dieses Wal-löh patschpatschpatsch! Wal-löh patschpatschpatsch!, aber Olli ist echt ein Profi, der wird das ein bißchen nach'm Metronom ziehen und, als ausgekochter Sampler, mindestens vertausendfachen und dann noch ordentlich Stadion-Hall draufgeben, dann kommt das volle Südkurve, gar keine Frage. Aber wie ihr dann regelrecht gesungen habt, das war in Ordnung. Ein bißchen schüchtern, aber ihr seid heil durch den Refreng gekommen, wenn auch eher im Gänsemarsch.

Daß zwei, drei ein bißchen abseits vom melodischen Mainstream liefen, das, fand ich, gibt dem schlichten alten Song erst die Messerspitze Raffinesse: nämlich diese oberaffenscharfen mikrotonalen Spannungen. Und einer von euch Jungens ist, das muß man sagen, ein vollkommen furchtloser Stimmartist: immer kopfüber und freien Falls hinab in den chromatischen Raum. Olli, der Spießer, wird das leider rauslöschen.

Überhaupt, diese Studio-Profis, die ham euch ja ganz schön geknutet. „Mensch, soll doch nur'n Gag sein!“ hat Boss Volker nach zwei Stunden gebrüllt; aber von wegen schnell mal für 10.000 Silberlinge sich ein Späßchen von paar hundert Singles machen! Da seid ihr an die Rechten geraten! Olli hat seine Stimme ganz geduldig gemacht: „Also ich möchte gern, daß ihr gut singt! Jetzt müßt ihr bitte nochmal Druck geben!“

Und hinterher, beim Abhören, da habt ihr alle große Augen gemacht, mit Freudenlämpchen drin: wahrhaftig, so reiche Ernte fährt man am Ende ein, wenn man bißchen Stimme sät und nur tüchtig mit Studiotechnik düngt.

Und dann, endlich, warn die richtigen Handball-Frauen dran, und die Fernsehleute stellten schon mal die Optik scharf. Und, schluck, was hör'n wir? Ganz genau die Männerstimmen, der Sound von vorher. „Könnt ihr nich 'ne Oktave höher?“ fragt Rainer. „Bei die Anabolika!“ ruft's zurück. Gelächter. „Aniko kann hoch singen!“ Was eine Sportsfrau ist, die braucht nun mal einen Wurfarm und keinen Sopran, die strebt in diese Lage nicht mal im Traum. Aber schließlich schwingen sie sich, weil Rainer dringlich bittet, doch empor, bis auf eine; und drinnen im Studio zuckt Olli zusammen und dreht den Hallregler auf bis zum Anschlag.

Und das Schönste: In der Pause, da kam doch tatsächlich euer Hannes (Name von der Red. geändert) in den Regieraum gewischt und auf Olli zu und flüsterte: „Du, mein Sohn macht Filmmusik! Kann der mal kommen?“ Und Olli: Naklarnaklar! Also lieber TuS, ihr seid ein rundum unschlagbarer Verein.

Euer Fan Manfred Dworschak