Zwei Tote bei Großbrand

■ Feuerwehr vermutet bautechnische Schlampereien als Ursache der Katastrophe/ Brandmeister unter eingestürzter Hallenwand begraben

Neukölln. Möglicherweise nur wegen einer bautechnischen Schlamperei sind gestern morgen bei einem Großbrand in einer mehrstöckigen Lagerhalle in Neukölln zwei Feuerwehrleute ums Leben gekommen. Die Beamten, ein 54 Jahre alter Hauptbrandmeister und ein 27 Jahre alter Brandmeister, wurden von einer etwa fünfzehn Meter hohen Hallenwand begraben, als sie von einer Drehleiter aus löschten.

Das Feuer war gegen ein Uhr in der siebten Etage eines Hochregallagers direkt unter dem Dach der Speditionsfirma Friedrich Schulz ausgebrochen. Dort hatte die Firma Paletten mit Kakaoprodukten und in Plastik verpackte Videokassetten gelagert.

Nach Angaben von Einsatzleiter Albrecht Brömme war das Speditionslager vor dem Zeitpunkt des Unglücks schon weitgehend sortiert und, wie es hieß, »abgelöscht« — bis gegen 6.27 Uhr wieder ein Feuer entdeckt wurde. Um 6.55 Uhr passierte dann die Katastrophe. Was geschah, schilderte der Brandoberrat so: »Es hatte wenige Minuten vorher etwas begonnen, was von den anwesenden Feuerwehrleuten noch nie jemand erlebt hat. Es setzte innerhalb der Hallen so eine Art Feuerregen ein. Der Brand war offenbar über das Dach gelaufen. Glimmende und brennende Kunststoffteile rieselten nach unten und entzündeten das Lager ziemlich schnell. Wir mußten um unser Leben rennen.«

Doch schon am Nachmittag war die erneute Brandausbreitung kein Rätsel mehr. Möglicherweise habe die Decke der Hallenstahlkonstruktion brennbares Dämmaterial aus Polystyrol enthalten, sagte der Leitende Branddirektor Karl-Heinz Schubert. Entsprechend den Baurichtlinien des Verbandes Deutscher Ingenieure (VDI) sei für die Halle aber ein nichtbrennbares Deckenmaterial vorgeschrieben gewesen. Nur eine sogenannte Dampfsperre hätte aus normal entflammbaren Baustoffen bestehen dürfen, so Schubert. Laut Schubert kam es, wie es angesichts des untauglichen Baumaterials kommen mußte: Die brennende Kunststoffflüssigkeit lief die Sicken des Dämmstoffes entlang und tropfte durch alle Löcher oberhalb einer Sprinkleranlage. Die beiden Feuerwehrleute auf der Drehleiter konnten nur noch hilflos mitansehen, wie sich die Fassadenwand der Halle langsam nach außen bog, dann stürzten sie durch die Wucht des Aufpralls aus großer Höhe aus ihrem Korb.

Bis Redaktionsschluß züngelten aus dem Gewirr zusammengeschmolzener Eisenträger und zerflossenen Kunststoffs noch immer Flammen. Noch weit entfernt von dem Brandort an der Gradestraße konnten Autofahrer und Passanten einen riesigen schwarzen Rauchpilz sehen. Bis Brandwachen der Feuerwehr alle Schuttreste abgelöscht haben, dürften, wie es gestern hieß, noch zwei Tage vergehen. Dem Geschäftsleiter der Spedition, Carl Schulz, zufolge geht der Schaden mindestens »in die Millionen«. Weil Kripobeamte bis zum Nachmittag nicht an den Brandort herankamen, schien die Brandursache vollkommen unklar. Bei dem Großeinsatz waren zweihundert Feuerwehrleute mit neun Löschzügen im Einsatz. Thomas Knauf