Finnland mag's jetzt lieber liberal

■ Schwere Niederlage für konservative und sozialdemokratische Regierungsparteien bei den finnischen Parlamentswahlen/ Gewinner sind Liberale Zentrumspartei und Grüne/ Linke bei zehn Prozent

Helsinki (taz/dpa) — Hatten die vier Millionen FinnInnen am Sonntag noch die Wahl, folgt nun für ihre Erwählten die sprichwörtliche Qual der Regierungsbildung. Die Parlamentswahlen, an der nur 72 Prozent der Wahlberechtigten teilnahmen, endeten mit einer Niederlage der bisherigen Regierungsparteien. Die konservative Nationale Sammlungspartei verlor 13 ihrer bislang 53 Sitze (19,3 Prozent), die Sozialdemokraten büßten 8 von ehemals 56 Mandaten ein (22,1 Prozent). Der hohe Wahlsieg der liberalen Zentrumspartei, die mit einem Zugewinn von 15 auf 55 Mandaten (24,9 Prozent) die Sozialdemokraten als stärkste Partei ablöste, führt nach Aussagen ihres Parteivorsitzenden Esko Aho „zwingend“ zur Regierungsbeteiligung. Fragt sich, mit wem. Aho sprach sich für eine rein bürgerliche Regierung unter liberaler Führung aus. Der Vorsitzende der Konservativen, Ilkka Suominen, wollte sich nicht zu künftigen Alternativen äußern. Noch in der Wahlnacht erklärte der sozialdemokratische Parteivorsitzende Pertti Paasio, seine Partei werde mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Opposition gehen. Zum ersten Mal seit 1962 sind die Sozialdemokraten nicht mehr stärkste Partei im Reichstag. Doch auch eine Koalition zwischen Zentrum und Sozialdemokraten ist denkbar. Diese waren in der Vergangenheit häufigste Regierungspartner, in der Regel in Koalition mit kleineren Parteien. Die Nationale Sammlungspartei wurde nach zwanzig Jahren in der Opposition erst vor vier Jahren Regierungspartei.

Im Ergebnis der Wahlen dürfte sich vor allem ein Protest der WählerInnen gegen die nicht eingelösten Versprechen der bisherigen Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Holkeri widerspiegeln. Das „Elefantenbündnis“ zwischen den einstigen politischen Widersachern zeichnet für auf sieben Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit und sich beschleunigende Inflation verantwortlich. Finnland ist das zur Zeit teuerste Land der Welt mit den höchsten Preisen für Wohnung, Essen und Kleidung.

Der Linksverband, eine Allianz aus der kommunistischen Partei Finnlands und anderen linken Gruppen, verlor entgegen den Erwartungen nur einen von seinen bisher 20 Sitzen (10,1 Prozent). Die Gewinner der Wahl waren die Grünen. Sie konnten sich um sechs auf zehn Sitze steigern und erhielten 6,8 Prozent der Stimmen. Doch ein Anti-AKW- Votum läßt sich aus dem Wahlergebnis nicht ablesen. Die traditionell gegen den Ausbau der Atomenergie eingestellte Zentrumspartei hatte in letzter Minute vor der Wahl ihren Kurs um 180 Grad gedreht. Jetzt tritt sie ebenso wie die beiden anderen großen Parteien für den Bau der Atomreaktoren Nummer 5 und 6 ein. Wolff/bel