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Es werden immer weniger Spanner

■ Die Frauen-Bundesliga erlebt eine widersprüchliche erste Saison zwischen Anerkennung und Vorurteil Es kommen zwar immer weniger Zuschauer, aber die wollen wirklich weiblichen Fußball erleben

Frankfurt/Praunheim (taz) — Die junge Frau mit dem Kinderwagen passierte gerade das Stadion am Praunheimer Hohl im nordwestlichen Stadtteil Frankfurts. Sie chauffierte ihr Kind unwirsch von der Stichstraße auf der ein Mann mit Auto Durchfahrt zum Sportplatz begehrte. „Ich habe sie bei ihrem Spaziergang gestört. Darf ich Sie dafür einladen, wenn die SG Praunheim den FSV Frankfurt zum Derby in der Frauenfußball-Bundesliga empfängt?", versuchte der Autofahrer die Frau zu locken. „Nein danke, ich mache mir nichts aus Fußball", erhielt er kühl zur Antwort. „Ich bin der Trainer des Praunheimer Teams und möchte gerne mehr Frauen für Frauenfußball interessieren", ließ der Mann nicht locker. „Und aus Frauenfußball mache ich mir schon gar nichts", fügte die Mutter schroff hinzu, ehe sie sich und ihre Kleine aus der Gefahrenzone brachte.

Seit September 1990 gibt es die Fußball-Bundesliga der Frauen, wofür die inzwischen rund 400.000 weiblichen Mitglieder im nach wie vor von Männern dominierten Deutschen Fußballbund jahrzehntelang so unermüdlich gekämpft hatten. Der Erfolg, gerade weil er gegen Widerstände und Widrigkeiten aus Ignoranz, Belächelung und stramm gepflegten Vorurteilen erzielt wurde, machte die Fußballerinnen durchaus etwas stolz, aber auch noch nicht gerade glücklich.

Das allgemeine Interesse an der Frauen-Bundesliga und die Zuschauerzahlen bei den Spielen der insgesamt 20 Teams in den beiden Gruppen Nord und Süd sind bisher eher bescheiden geblieben. Als besonders bedauerlich wird es in der weiblichen Fußballgemeinde registriert, daß so wenig Frauen Interesse am Geschehen zeigen. Darüber kann sie auch nicht die Tatsache hinwegtrösten, daß die Fraktion der „Spanner" unter den männlichen Besuchern zugunsten der am sportlichen Angebot interessierten rapide abgenommen hat.

Insider aber ahnen: Frauenfußball braucht sowohl im organisatorischen Umfeld wie auch unter den Anhängern mehr Frauen, will er sich längerfristig behaupten und vorankommen. Illusionen aber, daß die über Jahrzehnte gewachsenen Vorbehalte und Antipathien gegenüber dem Fußball als „typisch männlich“ auf die Schnelle aufzulösen oder gar in Sympathie umzuwandeln sind, macht sich kaum jemand.

Dessen ungeachtet trainieren die Kickerinnen unverdrossen drei- bis viermal pro Woche nach Schule, Studium, Arbeit, koordinieren ihre Beziehungswelt mit dem aufwendigen Geschehen um den Ball, reisen an den Wochenenden stundenlang und strapaziös manchmal durch die halbe Republik, um dann vor 100 Zuschauern und für nicht viel mehr als ein Abendessen Bundesliga-Fußball zu spielen.

Freilich gibt es auch andere Beispiele. Der Liga-Krösus und amtierende Meister TSV Siegen, gespickt mit Nationalspielerinnen und dank großzügiger Sponsoren mit einem Jahresetat von rund einer Viertelmillion Mark ausgestattet, bietet seinen Spielerinnen eine adäquate „Aufwandsentschädigung", sorgt schon mal für Arbeitsplatz und Wohnung. Auch DFB-Pokalsieger FSV Frankfurt fand nach langer Suche in der umstrittenen Frankfurter Immobilienbranche einen Sponsor, der zwischen 100 und 200.000 Mark lockermacht.

Und manchen greift auch mal das Glück unter die Arme. Die erst über die Aufstiegsrunde noch in die Bundesliga aufgenommene SG Praunheim-Frankfurt wird von einem im Stadtteil benachbarten Sicherheitsunternehmen mit 50.000 Mark pro Jahr unterstützt. Der unerwartete sportliche Höhenflug in der Vorrunde mit Tabellenführung in der Südgruppe und der sogenannten Herbstmeisterschaft brachte den Praunheimerinnen eine beträchtliche Medienresonanz mit regelmäßigen Fernsehberichten und einen Schnitt von eintausend Zuschauern pro Heimspiel.

Die 2.000 Besucher beim 1:0-Erfolg gegen den FC Bayern München sind bisher Liga-Rekord. Inzwischen aber wurden auch die Praunheimerinnen zumindest sportlich hart auf den Boden zurückgeholt: Im ersten Heimspiel der Rückrunde Anfang März kassierten sie eine bittere 1:8-Heimniederlage gegen Niederkirchen, deren Nationalspielerin Heidi Mohr, Gerüchten zufolge für 10.000 Mark Handgeld plus Spesen eingekauft, den Frankfurterinnen dabei sieben Bälle in den Kasten setzte. Die im pfälzischen Weindorf getätigte Investition hatte sich damit zunächst einmal gelohnt: TuS Niederkirchen wurde Tabellenführer vor dem FSV Frankfurt und dem VfR Saarbrücken. An diesem Wochenende aber unterlag Niederkirchen dem bis dahin noch sieglosen „Kellerkind“ Bad Neuenahr und mußte die Spitzenposition an den FSV Frankfurt abgeben, der im Lokalderby beim „Emporkömmling“ Praunheim vor weit über 1.000 Besuchern überzeugend mit 6:0 gewann.

In der Nordgruppe zieht der hohe Favorit TSV Siegen unangefochten seine Bahn. Dem alleine noch unbesiegten Titelverteidiger konnten bisher nur Altmeister SSG Bergisch- Gladbach und der KBC Duisburg einigermaßen folgen. Im Norden wie im Süden hat sich längst eine Mehr- Klassen-Gesellschaft herauskristallisiert. Auch zwei von vier Abteigern stehen schon so gut wie fest: Im Süden der an der Schweizer Grenze beheimatete TuS Binzen, im Norden die als einzige noch pluspunktlosen Berlinerinnen vom FC Neukölln. Aufstieg und Fall in rascher Folge — zumindest da macht der Bundesliga- Fußball keine Unterschiede zwischen Mann und Frau. Dieter Hochgesang

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