Späte Erkenntnisse

■ Der "größte Terroristenprozeß" als größte Blamage der Bundesanwaltschaft

Späte Erkenntnisse Der „größte Terroristenprozeß“ als größte Blamage der Bundesanwaltschaft

Der noch von Kurt Rebmann vorbereitete und inszenierte „größte Terroristenprozeß in der Geschichte der Bundesrepublik“ ist gescheitert. Zwar kann dieser Prozeß, der sich an zwei Tagen jede Woche im Düsseldorfer Gericht über die Runden quält, noch Jahre dauern. Doch ist mit dem Beschluß des Senats, ein Teil der Verfahren einzustellen, die Anklagekonstruktion der Bundesanwaltschaft zusammengebrochen.

Die Anklage war noch nicht geschrieben, da ließ Rebmann in Düsseldorf schon einen Hochsicherheitsgerichtssaal planen. Am Tag der Prozeßeröffnung präsentierte man achtzehn Angeklagte in einem Glaskäfig — eine Neuheit. Unterschiedslos mußten die sechzehn Männer und zwei Frauen der Öffentlichkeit wie Schwerverbrecher erscheinen. Unterschiedslos waren alle der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Ohne Unterschied bedeutete Untersuchungshaft für sie Isolationshaft.

Jetzt erst macht das Düsseldorfer Gericht die Unterschiede, die es von Anfang an hätte machen müssen. Nur einige der KurdInnen, die in Düsseldorf vor Gericht stehen, haben sich wegen Mordes, versuchten Mordes oder Entführung zu verantworten. Diese Taten hätten vor normalen Schwurgerichten angeklagt werden können, einen „Kurdenprozeß“ hätte es nie gegeben. Statt dessen eröffnete der Düsseldorfer Senat einen politischen „Mammutprozeß“ (Rebmann) gegen Mitglieder der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, wie ihn die Bundesanwaltschaft wollte. Zusätzlich setzte sich die Justiz damit dem Vorwurf aus, sie führe einen Prozeß im Sinne der türkischen Regierung, die die PKK seit Jahren brutal bekämpft.

Die jetzigen Einstellungsbeschlüsse sind nicht mehr als der verspätete Versuch, Justitias Gesicht zu wahren. Gerechtigkeit widerfährt den Angeklagten damit nicht. Und so ist es folgerichtig, daß sie und ihre VerteidigerInnen den Handel ablehnen. Ohne Entschädigung für die bis zu zweijährige Isolationshaft sollen sie das Gericht verlassen. Und das, obwohl die bisherige Beweisaufnahme für einige von ihnen einen Freispruch bedeuten könnte.

Der wichtigste Zeuge der Anklage hat in Düsseldorf gelogen und sich in Widersprüche verwickelt. Verteidigerfragen entzog er sich. Übersetzungen wichtiger Dokumente erwiesen sich als fehlerhaft: alles zum Nachteil der Angeklagten. Auch die Verteidigung mußte in Düsseldorf immer wieder neu erkämpft werden.

Dieses Mammutverfahren, das wohl von keinem Gericht zu bewältigen wäre, ging bisher allein auf Kosten der Angeklagten und ihrer Rechte. Warum sollten sie gerade jetzt, wo wesentliche Teile der Anklage zusammengebrochen sind, auf gerechte Urteile verzichten? Bettina Markmeyer