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Gorbatschow setzt auf Preiserhöhung

Gorbatschow gibt Order, ab 2. April 1991 ein dreigliedriges Preissystem einzuführen/ Erfolgsaussichten sind zweifelhaft/ Produktionskosten sollen nun beim Preis berücksichtigt werden  ■ Aus Moskau von K.-H. Donath

Die Perestroika der sowjetischen Wirtschaft hat nie richtig begonnen. Jetzt ist sie zu Ende. Mit seinem neuen Premier Walentin Pawlow im Schlepptau hat Präsident Gorbatschow gestern einen weiteren Ukas zur Gesundung der Sowjetwirtschaft erlassen. Es geht um die Korrektur des absurden sowjetischen Preissystems, das bisher die tatsächlichen Produktionskosten gänzlich außer acht ließ.

Die Erfahrungen mit früheren Wirtschaftserlassen sind schlecht. Die sogenannte „Geldreform“, der im Februar über Nacht alle 50- und 100 Rubel-Scheine zum Opfer fielen, hatte in der Bevölkerung zu Panikreaktionen geführt. Diesmal geht der Präsident etwas sanfter vor. Der Ukas spricht gleichzeitig von einer „Reform der Einzelhandelspreise und der sozialen Absicherung der Bevölkerung“. Doch dem Vertrauensverlust der Führungsriege wird auch das kaum noch Einhalt gebieten.

Die Reform, die am 2. April in Kraft treten soll, sieht ein dreigliedriges Preissystem vor. Die erste Kategorie umfaßt die Waren des unmittelbaren Grundbedarfs. Hier behält sich der Staat vor, die Obergrenze weiterhin festzuschreiben. Die Preise für Fleisch, Brot, Mehl und Salz etwa werden um das Dreifache, die Tarife im öffentlichen Nah- und Fernverkehr um das Zweifache in die Höhe schnellen.

Um die Ungleichgewichte, je nach Produktionsstruktur der Republiken und deren Einkommensniveaus auszugleichen, dürfen diese bei der endgültigen Preisgestaltung ein Wörtchen mitreden, müssen sich aber mit der zentralen staatlichen Preisbehörde „Goskomzen“ abstimmen.

Die zweite Kategorie trägt die deutliche Handschrift eines „Ärmelschoners“. Auch hier will „Goskomzen“ sein Definitionsmonopol aufrechterhalten und die „Preise regulieren“ — dies auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage. Bei der Schnelligkeit der Sowjetbürokratie kann man sich das Hase-Igel-Rennen schon lebhaft ausmalen. In diese Gruppe fallen größtenteils Produkte der Leichtindustrie, Kühlschränke, Fernseher, Stereoanlagen, Möbel und höherwertige Kleidungsstücke. Eigentlich alles, was über den unmittelbaren Bedarf hinausgeht und in der letzten Zeit nur noch in der Vorstellungskraft der Sowjetbürger existierte. Dazu gehören auch PKWs und Ersatzteile.

Soviel wie sie wollen, dürfen Verkäufer demnächst für Delikatessen wie Mineralwasser, Eis, Hasenfleisch und Importtabak verlangen. Weniger störanfällige Waschmaschinen und Uhren gehören auch dazu.

Einen Härteausgleich erhalten Arbeiter monatlich in Höhe von 60 Rubel. Rentnern wird eine Zulage von 65 Rubeln gebilligt. Studenten wird ihr bescheidenes Salär verdoppelt. Ob diese Reformen den gewünschten Erfolg bringen, steht in den Sternen. Da man landauf landab mit einer Preisreform gerechnet hatte, haben die meisten Unternehmen in den letzten Monaten ihre Waren in der Hoffnung auf einen Extraprofit zurückgehalten. Kurzfristig werden sich am 2. April mit Sicherheit die Regale füllen. Doch solange das Warenangebot hinter der Einkommensentwicklung zurückbleibt, wird sich grundsätzlich nichts ändern.

Die administrative Preiserhöhung muß nicht automatisch die Produktionsziffern erhöhen. Im Gegenteil — Unternehmen, die bisher schon Defizitwaren produzierten, brauchen jetzt ohne Einbußen noch weniger ausstoßen als vorher. Vor den Folgen einer rein monetären Politik hatten schon Gorbatschows ehemalige Wirtschaftsberater Schatalin und Petrakow gewarnt, die ihren Dienst unter Protest quittiert hatten.

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