Späth: „Bin kein Unternehmerknecht“

Ex-Ministerpräsident vor den Untersuchungsausschuß/ Reiserei als unternehmerischer Teil seiner Wirtschaftspolitik bezeichnet/ Noch mehr Reisen von der Industrie gesponsert  ■ Aus Stuttgart Erwin Single

„Daß ich Firmenflugzeuge benutzt und Einladungen akzeptiert habe, um Gespräche dort zu führen, wo meine Gesprächspartner anzutreffen waren, dafür stehe ich gerade.“ Dem Ministerpräsidenten a.D., wie sich Lothar Späth dem Untersuchungssausschuß des Stuttgarter Landtags bei seiner gestrigen Zeugenvernehmung selbst vorstellte, war bekannterweise keine Reise zu beschwerlich, um für das Wirtschaftsland Baden-Württemberg zu werben. Ob bei Veranstaltungen und Konferenzen, in Büros und Amtsstuben, internationalen Hotels, Flugzeugen, Schiffen oder anderswo — das sei, rechtfertigte sich Späth, eben „der Stil, der das Image des Landes positiv beeinflußt“ habe. Er habe „innerlich ein gutes Gewissen“, so Späth weiter, schließlich sei seine Unabhängigkeit in keiner Phase beeinträchtigt gewesen. Aber wann gibt ein Politiker vor versammelter Medienöffentlichkeit schon zu, Fehler begangen zu haben?

Der über das Netz seiner guten Industriekontakte gestolperte Landesfürst läßt keinen Ton der Selbstkritik über seine Lippen kommen. Abschwören sei „Vorschrift in China, aber nicht hier“, so ein widerwilliger Späth. Gegenüber den Ausschußmitgliedern, die sich mit seiner Reiserei und anderen Zuwendungen zu beschäftigen haben, gab sich der CDU- Landesvorsitzende offensiv, als handle es sich bei dem Gremium um einen Buchhalterverein: Er sei nicht der „Unternehmerknecht von Baden-Württemberg“; jeder habe gewußt, daß er gelegentlich auf Firmenjets zurückgreife.

Eine 65seitige Auflistung der neuen Landesregierung, im Auftrag des Ausschusses zusammengetragen, fördert aber weit mehr Späth- Trips auf Firmenkosten zutage, als bislang bekannt waren. Zwischen 1978 und 90 hat der frühere Regierungschef über 550 gesponserte Reisen unternommen, unter anderem zu Bundesratssitzungen, Ministerpräsidentenkonferenzen, Firmenveranstaltungen, CDU-Zusammenkünften und Wahlterminen. Wer welchen Flug letztendlich bezahlt hat, konnte Späth nur in Einzelfällen sagen. Auch weitere private Touren mit Freunden und Gönnern mußte Späth einräumen: etwa mit dem früheren Süba-Chef Schlampp nach Marbella, mit dem verstorbenen Stahl- Industriellen Korff in die USA, mit dem Ex-Blendax-Manager Strobel nach Mexico oder mit dem damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Nachmann, nach Israel. Eingestehen mußte Späth auch eine peinliche Scheck-Geschichte: für eine vom früheren SEL-Chef Lohr finanzierte DDR-Reise hatte Späth vor seinem Rücktritt einen Scheck über 5.470 DM präsentiert, mit dem er seinen Anteil abgelten wollte. Der Scheck wurde aber nicht, wie von Späth dargestellt, an die CDU als Spende weitergeleitet. Späth hatte vielmehr einem seiner Ministerialräten das von Lohr zurückerhaltene Bargeld für die Parteikasse übergeben, wie er jetzt einräumte; der Scheck wurde bei ihm nie abgebucht, weder von SEL noch von Lohr.

Späth, der sich fürs Ländle mit Hingabe verzehrte und in seiner 12jährigen Amtszeit rund 40.000 Termine abgerissen hat, warf dem Ausschuß indirekt vor, in „Jakobinermanier“ sämtliche Lebensbedingungen ausforschen zu wollen. Er habe es als Pflicht angesehen, in aller Welt „Türöffner“ für die heimische Industrie zu spielen, und noch bei privaten Reisen politische Termine eingeschoben. „Erzeugen sie das Klima nicht“, resümierte Späth, „dann sind Sie verdachtsfrei, aber eines Tages auch industriefrei.“