Im wesentlichen kommts auf die Beine an

■ Auch geerbte, gefundene und gebrauchte Drahtesel tun manchmal ihren Dienst

Reiner Fetischismus, diese tierisch teuren Räder, der etwas betuchteren Ökos. Die rechfertigen ihre Super-Sonderausführungen und Spezialanfertigungen auch noch damit, daß der ganze Krempel nützlich und unbedingt notwendig sei. Wieso nicht das neue Stadtrad für gelegentliche Blocklandtouren im Kaufhaus kaufen? Hacky Voigt von der Fahrradstation am Bahnhof: „Wer Billigräder verkauft, bescheißt die Leute. Das sind Räder zwischen 299 bis 500 Mark. Richtig gefährlich wirds bei Rädern von Kaffee-Firmen oder Werbegeschenken vom Buchclub: Die haben zum Beispiel keine vernünftigen Bremsen. Aber im wesentlichen kommts auf die Beine an. Wer fit ist, kann auch mit einem Rad für 300 Mark erstaunliche Leistungen erbringen.“ Und Wolfgang Reiche vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC): „Ein fester Kostenfaktor ergibt sich schon durch die Montage. Ein Fahrrad hat 800 bis 1.000 Einzelteile. Wenn es billig ist, kann nur am Material gespart worden sein. Das ist fabrikneuer Sperrmüll. Oder es kommt aus einem Land mit extrem niedrigem Lohnniveau.“ 800 bis 1.000 Mark sollte die Fahrradkäuferin schon anlegen, findet er. Was die Fahrräder unnötig teurer macht, sind aufwendige Lackierungen: „Das ist Schnickschnack, der für nichts gut und zudem umweltschädigend ist.“ Was hingegen ruhig teuer sein darf, sind Tretlager, Kette und Kugellager. Ein zweckmäßiges Extra ist das Dauerlicht. Es erhöht die Sicherheit, denn das Dynamo ist schadensanfällig, spendet beim Langsamfahren nur wenig und im Stehen gar kein Licht. Je nachdem, ob das Fahrrad Nutzfahrzeug oder Sportgerät sein soll, legt die Radlerin mehr oder weniger Wert auf Stabilität, Geschwindigkeit und Lebensdauer.

Wir sprangen den RadlerInnen in den Weg. Ein Vierzigjähriger mit einem zweijährigen Rennrad für 1.000 Mark fährt damit zur Arbeit und macht Wochenendtouren bis 60 Kilometer. „Gut angelegt“, findet er sein Geld. Eine Frau, Mitte 30 mit einem abgewrackten Rad, geschenkt bekommen, findet: „Ein Rad muß sicher, zweckmäßig und kinderfreundlich sein. Ich nehme das Einfachste, was gut funktioniert. Es darf höchstens 500 Mark kosten, darf aber ruhig billiger sein.“

Ein siebzigjähriger Mann, fährt seit 20 Jahren auf einem Rad, das damals 200 Mark gekostet hat und ist immer noch zufrieden. Ein 63jähriger Beamter fährt seit drei Jahren mit seinem 350 Mark billigen Drahtesel vier Kilometer zur Arbeit und dieselbse Strecke zurück. Eine Abiturientin fährt seit drei Jahren ein Rad, das 300 Mark gekostet hat: „Das ist zu teuer“, findet sei, „jetzt würde ich mir ein gebrauchtes Rustikalfahrrad für 150 Mark kaufen. Mehr als drei Gänge braucht man nicht auf dem platten Land.“ bear/dh