Ein Kondenzstreifen am Sachsenhimmel

Großinvestoren auf dem Sprung nach Sachsen/ Der Aufschwung wird auf sich warten lassen/ Der „soziale Sprengstoff“ erreicht kritische Masse  ■ Aus Dresden Detlef Krell

„Mehr als nur einen Silberstreif am Horizont“ hat das sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ausgemacht. Großinvestoren aus dem westlichen Bundesgebiet würden Sachsen als attraktiven Standort erkennen. So will die Volkswagen AG in Mosel bei Zwickau 4,6 Milliarden DM investieren und 7.400 Arbeitsplätze schaffen, Quelle baut in Leipzig-Schkeuditz ein zentrales Verteilungssystem auf, Bosch steigt in Sebnitz ein und Siemens in Chemnitz. Täglich würden im Ministerium weitere Unternehmen vorsprechen. Am schwierigsten sei, die geeigneten Standorte zu finden. Mit einem wirtschaftlichen Aufschwung sei in Sachsen aber frühestens in einigen Jahren zu rechnen, denn die Großprojekte brauchen vorerst Zeit für Planung und Bau. Die Volkswagen- Arbeitsplätze in Zwickau werden jedoch erst 1994 zur Verfügung stehen.

Unterdessen sammelt sich im Osten „sozialer Sprengstoff“, wie Hanjo Lucassen, Beauftragter für Sachsen des DGB, zum Abschluß der Aktionswoche „Arbeitsplätze in Sachsen statt Massenarbeitslosigkeit und Armut“ feststellte. In Sachsen gingen mehr als 100.000 Menschen auf die Straßen, sie seien den Aufrufen der Gewerkschaften, von BürgerInnenbewegungen und zunehmend auch der Kirchen gefolgt. Das „endlich“ in Bonn beschlossene „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ könnte nach Meinung des DGB in Sachsen die Situation auf dem Arbeitsmarkt positiv beeinflussen. Wesentliche Elemente dieses Programms würden den seit Jahren vom DGB geforderten Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Strukturpolitik entsprechen. Nun fordert der DGB von der Landesregierung ein Programm „Arbeit für Sachsen“. Für Anfang April kündigte Lucassen ein Gespräch mit Wirtschafts- und Arbeitsminister Schommer an, worin über Eckpunkte eines solchen Programms und über den Anteil der Gewerkschaften beraten werden soll. Nach Vorstellungen des DGB müßte „Arbeit für Sachsen“ einschließen, daß vom Land Darlehensbürgschaften an ABM-Träger erteilt und nach dem Programm der Bundesanstalt für Arbeit Existenzgründungen gefördert werden. Auf 850 DM angehoben werden sollte die Unterstützung für SchülerInnen. Alleinstehende und Familien mit geringem Einkommen müßten vom Land 100 DM Zuschuß zu den Kita-Kosten erhalten.

Aus dem kommunalen Investitionsprogramm des „Aufbaus Ost“ sind fünf Milliarden DM in die neuen Bundesländer geflossen. Die Landräte und Bürgermeister, nach ihren „berechtigten Klagen“ über leere Kassen, sollen die pauschalen 152 DM pro EinwohnerIn nun „schnell und unbürokratisch“ für beschäftigungswirksame Investitionen einsetzen. Darum appellierte Minister Schommer an Sachsens Kommunalpolitiker, „die Flexibilität in der Vergabeordnung voll zu nutzen und soweit wie möglich die einheimische Wirtschaft einzuschalten“. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit lehrt auf „Informationsveranstaltungen“ die unzufriedenen Bügermeister das richtige Geldausgeben, denn die Aufschwungmittel sind „nicht dafür gedacht, eventuelle Haushaltslücken zu schließen oder sonstige Anschaffungen zu tätigen“. Expertenteams klären über die Möglichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes auf. Immerhin sind in Sachsen noch 1991 für ABM 80.000 Plätze und für Umschulungen 160.000 Plätze zu nutzen.

Weitere sieben Milliarden zahlt Bonn in diesem Jahr für Ökologie, kommunalen Straßenbau, öffentlichen Personennahverkehr, Stadt- und Dorfsanierung, Denkmalschutz. Wer zuerst „hier“ ruft, bekommt das Geld. Also mahnte Minister Schommer die Kommunen zur Eile, die entsprechenden Anträge zu bearbeiten.