Die zweite Vernichtung des Judentums

■ Ausstellung von Adass Jisroel über die Zerstörung jüdischer Stätten nach 1945 eröffnet/ Erhaltenswerte Synagogen wurden abgerissen, Gedenktafeln montiert

Mitte. Weil der Rat des Stadtbezirks Mitte für eine Außenhandelsfirma einen Lagerplatz benötigte, wurde 1967 die gut erhaltene und reich geschmückte Synagoge der Israelitischen Gemeinde Adass Jisroel gesprengt. Die Synagoge hatte das Novemberpogrom und den Bombenkrieg nahezu unbeschädigt überstanden, die Gemeindemitglieder waren 1942 fast alle in Auschwitz ermordet worden. Im Sozialismus wurden dann die letzten Zeugnisse der traditionsreichen orthodoxen Gemeinde weggeräumt. »Wir danken Ihnen für Ihre Zustimmung zum Abriß der o.g. Synagogenruine«, hieß es in einem Schreiben des Stadtbezirkes an die kooperationswillige Jüdische Gemeinde von Ost-Berlin. Wenige Jahre später wurden die Quellbäder zugeschüttet und Teile des alten Adass-Jisroel-Friedhofs vom ehemaligen Vorsitzenden der Ostberliner Jüdischen Gemeinde, Peter Kirchner, an die Staatssicherheit verkauft.

Aber nicht nur im Osteil der Stadt wurden in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren Synagogen und Zeugnisse jüdischen Lebens zerstört. In großem Ausmaß wurde dies auch im Westteil der Stadt getan. Auch hier alles ordnungsgemäß und immer mit Zustimmung des langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski.

Die seit 1989 in Ost-Berlin tätige orthodoxe Gemeinde Adass Jisroel hat gestern eine Ausstellung eröffnet, die diese nach 1945 fortgesetzte Zerstörung von jüdischen Zeugnissen anhand von Archivfotos und Dokumenten belegt. An die Stelle der gesprengten Synagogen und der ermordeten Menschen trat ab den sechziger Jahren die »organisierte Gedenkstättenkultur«, sagte Adass-Sprecher Mario Offenberg bei der Eröffnung. An der »Historisierung des Grauens« seien die staatstragenden jüdischen Einheitsgemeinden beteiligt gewesen. Manchmal nahm man es dabei mit der Wahrheit nicht so genau. Ein Beispiel dafür ist die Synagoge in der Wilmersdorfer Prinzregentenstraße. Auf der Gedenktafel steht geschrieben, daß die einstmals an diesem Platz stehende Synogoge 1938 zerstört wurde. Die ausgestellten Dokumente allerdings beweisen, daß die fast unbeschädigten Außenmauern ab Juli 1958 gesprengt, der intakte Altar erst anschließend, nämlich im August 1958, demontiert wurde.

Ein ähnliches Schicksal erlitten die Synagogen in der Fasanen-, Levetzow-, und Münchener Straße. Das ehemalige Schulgebäude von Adass Jisroel, der Siegmundshoff 11, wurde 1953 an die »Jewish Trust Cooperation for Germany« übertragen. Und die verkauften den Besitz für 1,9 Millionen Mark an eine Wohnungsbaugesellschaft. Das Schulgebäude und die Synagoge wurden abgerissen. Ab den fünfziger Jahren, schrieb Wolf Jobst Siedler in einem Grußwort an Adass, sei das Berliner Judentum zum zweitenmal vernichtet worden. »Diesmal«, so Siedler weiter, »sogar mit dem schriftlichen Einverständnis der Obrigkeiten — der deutschen und jüdischen«. aku

Die Ausstellung »Wir danken Ihnen für Ihre Zustimmung zum Abriß der Synagoge« ist bis zum 31.Mai jeden Mo bis Do von 15 bis 20 Uhr in den Räumen von Adass Jisroel, Tucholskystraße 40, zu sehen.