piwik no script img

Ein kleines Kino und das leidige Geld

■ Bali — das letzte Kino in Zehlendorf Mitte: Wird der Bezirk Ende dieses Jahres zu einer Kulturwüste oder lassen sich geplante Projekte doch noch realisieren?/ Ein Förderverein aus Künstlern, Politikern und Lehrern will das Bali im Bezirk halten

Zehlendorf. Das Bild des alten Zehlendorfer Kernes hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Anfang der 80er Jahre gab es noch viele kleine Läden, die auf Grund der immens gestiegenen Mieten in der letzten Zeit ihre Rolladen herunterlassen mußten. Die kleinen Geschäfte wichen Banken, Einkaufsmärkten, Apotheken oder Unternehmen.

Nun ist auch das Bali-Kino bedroht. Das Lichtspielhaus besteht schon seit 1945 und war in den 50er Jahren eines von neun Kinos in Zehlendorf. Mittlerweile ist es neben dem in Dahlem liegenden Capitol das letzte. Als die jetzige Besitzerin, Helgard Gammert, das Bali 1979 übernahm, hatte es einen sehr gutes politisches Programm. Jedoch war es unmöglich, dieses so weiter zu führen, da sich die politische Szene mehr und mehr nach Kreuzberg verlagerte. So entwarf sie ein kulturell und politisch anspruchvolles und kinderfreundliches Filmangebot. Seit es den Kino-Programmpreis des Innenministerium gibt, ist sie jährlich damit ausgezeichnet worden.

Helgard Gammert steht nun vor einer schwierigen Aufgabe. Der Gebäudekomplex ist 1988 von einer Immobilienfirma aufgekauft worden; ihr Mietvertrag läuft Ende dieses Jahres aus. Sie befürchtet, daß der Mietpreis um einige Tausend Mark steigen wird und wahrscheinlich ist auch, das er auf circa drei Jahre befristet sein wird.

Sie will das Kino weiterführen, aber nicht um jeden Preis: Ihrem Konzept, interessantes, gutes Kino zu machen, will sie treu bleiben. So hat sie bereits das Angebot von Lesungen und Diskussionen im Vorführsaal verstärkt. Der Versuch, vormittags ein Schulkino einzurichten, hat dagegen bisher wenig Anklang gefunden. Das liegt weniger an den Schülern, sondern eher an der Faulheit einiger Direktoren und Lehrern, die das Angebot — wie zum Beispiel Literaturverfilmungen — oft nicht zu nutzen wissen. Da sich gerade ein Fördererverein — der das Bali finanziell unterstützen soll — gründet, der aus Politikern, Lehrern, Künstlern und Eltern zusammensetzt, wird das Projekt Schulkino wieder sehr viel realistischer.

Gammert weiß, daß sie große Probleme haben wird, das Bali langfristig in dem bisherigen Gebäude zu erhalten. Hieraus entstand eine weitere Überlegung: Zehlendorf hat als einer der wenigen Bezirke noch kein Kulturzentrum. In nächster Zeit wollen sich verschiedenen Künstler und Künstlerverbände treffen, um die Planung eines Zehlendorfer Kulturhauses vorzubereiten.

Ihre Idee ist es, ein Haus zu finden, daß eine Galerie, eine Theaterbühne, ein Café und ein Kino unter seinem Dach ansiedelt: Dies wäre ein zentraler Anlaufpunkt für Zehlendorfs Kulturarbeit. Hier böte sich ein ehemaliges Kino an — der ehemalige Primus-Palast —, der, wie auch das Bali, in der Gartenstraße liegt. Es hatte einstmals zwei großen Säle und einem geräumigen Foyer. Im Augenblick ist das Gebäude vermietet und eine Ausweichmöglichkeit für den momentanen Mieter zu finden erscheint ungeheuer schwierig.

Ob das Bali nun erhalten bleibt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Bezirk bereit ist, dem Mieter des ehemaligen Primus-Palastes eine vergleichbare Unterkunft zu verschaffen. Julia L'age

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen