Kampf um den Leipziger Straßenstrich

West-Zuhälter streiten sich mit Ost-Zuhältern um den Markt/ Bündnis 90: Prostituierte nicht kriminalisieren  ■ Von Ulrike Helwerth

Berlin (taz) — Einen regelrechten Krieg liefern sich Zuhälter aus Ost und West derzeit in Leipzig. Es geht um die Aufteilung des Marktes, vor allem aber um die Kontrolle des Straßenstrichs. Erst kürzlich wurde ein junges Paar dort nachts von einer Gruppe von Zuhältern verfolgt und angegriffen. Der Mann wurde verprügelt, die Frau vergewaltigt. Die Täter hatten sie irrtümlicherweise für Konkurrenz gehalten. Das berichtet die sächsische Landtagsabgeordnete Cornelia Matzke (UFV). Die West-Zuhälter, so die sozialpolitische Sprecherin und Frauenbeauftragte der Fraktion Bündnis 90/Grüne, seien mit ihren West- Frauen gekommen und machten nun den Ost-Zuhältern und ihren Ost-Frauen das Revier streitig.

In Leipzig gibt es schätzungsweise 200 Prostituierte. Die wirklichen Zahlen dürften allerdings erheblich höher liegen, da bisher nur die Frauen auf dem Straßenstrich erfaßt wurden. Rund 20 Frauen sollen in den großen Hotels arbeiten, zwei illegale Bordells haben den Betrieb aufgenommen.

Die Messestadt galt schon unter der SED-Regierung als Brennpunkt der DDR-Prostitution. Zu Messezeiten reisten Frauen aus dem ganzen Land an und verdienten sich in wenigen Tagen harte Devisen. Einige Leipziger Prostituierte haben inzwischen, um sich zu schützen und auch in Zukunft ohne Zuhälter arbeiten zu können, einen Verein gegründet. Als Vorbild dienten westdeutsche Prostituierten-Selbsthilfegruppen wie etwa der Westberliner Verein „Hydra“.

Der „Zuhälterkrieg“ in Sachsen hat die Fraktion der Bündnis 90/Grüne auf den Plan gerufen. Sie verlangt eine aktuelle Debatte zu diesem Thema im Landtag und hat bereits einen Forderungskatalog vorgelegt: Anerkennung der Prostituierten als „Sexarbeiterinnen“, ein Landesverband von Prostituiertenvereinen soll als „beruflicher Interessenverband“ von der Landesregierung anerkannt werden, auf Sperrbezirke soll verzichtet werden, stattdessen sollen die Kommunen die Einrichtung kommunaler Bordelle oder Clubs finanziell unterstützen.

Die Landesregierung soll eine Kommission einrichten, die zusammen mit Betroffenen die Situation von Prostituierten in Sachsen untersuchen, einen Maßnahmekatalog zu deren Schutze vor Verfolgung und Zuhältern erstellen und die Vorarbeiten für ein Beratungsnetz und ein Aussteigerinnenprogramm leisten soll.

Prostitution sei eine „gesellschaftliche Realität, deren wir uns annehmen müssen, besonders in Zeiten sozialer Destabilisierung, um Kriminalität und Kriminalisierung zu verhindern,“ so Cornelia Matzke. Aber es ginge auch um Arbeitsplätze. „Frauen gehen auf den Strich, weil sie in anderen Jobs wenig Chancen haben.“