Ökonomie führt zur Orthopädie

■ Weshalb man auf einem Schlafsofa nicht schlafen kann und darf

Was leicht übersehen wird: das bei Höffner oder Hübner zum ausschließlichen Zwecke der Vorführung angestellte Ausstellungsobjekt und sein ebenfalls ausschließlich zum Zwecke der Vorführung angestellter Vorführer sind ein seit Jahren bestens aufeinander eingespieltes Team. Das Objekt bringt schon bei den Worten »ich darf ihnen das vielleicht schnell einmal vorführen« seine inneren Rollen in Hab-Acht-Stellung. Den Rest macht es von ganz alleine. Wenn also der Vorführer vom Hochwerfen der Rückenkissen über die Herstellung der Schlafebene bis zum faltenfrei ausgebreiteten lila Laken nur ganze dreiundzwanzig Sekunden braucht, dann ist dies die Frucht eines jahrelangen, täglich erneuerten, harten Trainings.

Wer sich zu Hause mit der Eleganz des höffnerschen oder hübnerschen Schlafsofa-Torreros dem frisch gelieferten Eigentum zu nähern versucht, wird schnell begreifen, warum die ansonsten eher wortkargen Möbellieferanten sich auf der Türschwelle mit einem dreifach drohenden »aber nicht mit Gewalt!« verabschiedeten. Das jungfräuliche Möbel denkt nämlich nicht die Bohne daran, sich zu bewegen. Es klemmt seine Teile zusammen, verkantet die Rollen auf den Schienen und läßt nicht locker, bis sein Besitzer auf das ius primae noctis verzichtet und mit nackter, sinnloser Gewalt im todmüden Hirn auf der alten Ersatzmatratze einschläft. So vergehen Tage und Nächte. Der Abteilungsleiter ist immer gerade zu Tisch oder nimmt außer Haus zu wichtigen Fragen gesamtberlinerischer Möbelprobleme Stellung. Eines erlösenden Tages ist der Schlafsofabesitzer seine Matratzengruft leid und läßt mit wuchtigem Schlag den Vorschlaghammer auf das sensible Schienensystem niederdonnern. Ab da geht's.

Die Rache des Möbels setzt erst Wochen später ein. Es beginnt mit einem leisen Ziehen am unteren Ende des rechten Lungenflügels, klettert dann crescendo an der Wirbelsäule entlang und teilt sich zuletzt in einen Zweig, der über die Schulter den Arm versorgt, und einen anderen, der sich auf der Höhe des Ohres im Hinterkopf häuslich einrichtet. Irgendwann ist der Schlafsofabesitzer nur noch das Mensch um diesen Schmerz herum.

Im Wartezimmer des Orthopäden wird er zwei Stunden glatt vergessen und darf sich mit einem Dutzend anderer lahmer, schiefer und verbogener Schlafsofabesitzer um das einzige Druckerzeugnis streiten, dessen ein Dahlemer Nobelarzt seine Kassenpatienten für würdig hält. Es handelt sich um ein zerfetztes, speckiges Exemplar der Zeitschrift 'Harpers Bazaar‘. Wenn er dann über Julia Roberts alles weiß, was ihn schon nie interessiert hat, werden von seinem schmerzenden Rückgrat siebenundzwanzig Röntgenbilder hergestellt, die zu keinerlei Diagnose führen und die auch keinerlei anderen Nutzen haben, als den täglichen Umsatz der Praxis noch ein gutes Stück nach oben abzurunden. Ganz zuletzt stellt der Arzt dann die Frage, auf die man seit Stunden wartet, ob man nämlich eventuell ein Schlafsofa besitze. Von diesem Tag an besitzt man es natürlich nur noch wenige Stunden. Ein Selbstabholer findet sich immer. Man muß das Objekt nicht einmal mit den Worten des Möbelverkäufers anpreisen.

Diese eindrucksvolle, lebhafte Rede von der gesundheitsfördernden Wirkung des leicht hochgestellten Kopfteils, welches ja quasi schon von sich aus die Funktion des Kopfkissen übernehme, diese ganze wissenschaftlich erwiesen erstunkene, hochlügenhafte Geschwätz will der Selbstabholer gar nicht hören. Er will das Schlafsofa nämlich nicht zum draufschlagen. Drauf Sitzen will er. Er hält dieses ökonomische Denken sowieso für Quatsch, dieses Aus-eins-mach-zwei. Ein gutes Bett brauche der Mensch, einen Schreibtisch und ein Sofa. Das Sofa sei doch übrigens absolute Spitze: beinahe fabrikneu, bequem obendrein und echt Leder. Der Mann hat recht, der Glückspilz. Doja Hacker