Szenenwechsel im schwulen Kabelnetz

■ Rosa von Praunheim verläßt überstürzt seine Plaudercouch im Ersten Deutschen Schwulen Fernsehen/ TV-Gefahr für Kinder: Schwulsein ist zu schön/ Die Lesben kommen mit auf die Mattscheibe

Schöneberg. Exodus beim Ersten Deutschen Schwulen Fernsehen im neuen FAB-Kanal: Rosa von Praunheim ist »überarbeitet«. Der »künstlerische Leiter« und umstrittene Gründungsvater von »Schrill, Schräg und Schwul« räumt nach der achten Folge überstürzt seine Plaudercouch. Bereits seit Folge vier ersetzt ein schwuler Arzt aus München den Tornado-Kabarettisten Günter Tews und seine humorvollen »Safer- Sex-Spots«. Nicht mehr die Risiken beim Koitus mit Staubsaugern, sondern die Unterschiede zwischen Hepatitis A und B stehen nun auf dem Programm.

Und schon nach der ersten Sendung resignierte Ichgola Androgyn. Die Tunte war als Moderator und Anchorman schlicht zuviel des Guten — vor allem für die schwule Normalo-Fraktion.

Der Tenor der Proteste nach der Premierensendung im Februar: »So sind wir nicht. Was sollen bloß die Heteros von uns denken.« Gerade auch die »ganz normalen Mütter, Väter und Tanten« wollte Praunheim mit einem gemäßigten »Bügelfernsehen« für das Schwulsein erwärmen. »Scheinliberale Zuckerwatte« schimpfte daraufhin das Schwulenmagazin 'Siegessäule‘ und »politisch unterbelichtet« befand der 'Gay Express‘. »Anstrengend« monierte Springers 'Morgenpost‘ und selbst der seriöse 'Tagesspiegel‘ diagnostizierte »den Unterhaltungswert des Blauen Bocks«.

Die harsche Kritik fanden die Macher des Schwulen Fernsehens »nicht besonders nett«. Allerdings: »Die Safer-Sex-Spots waren total daneben«, gesteht auch Produktionsleiter André Kraft. Inzwischen gehe es den beteiligten um ein »selbstbewußtes, schwules Fernsehprogramm von Schwulen für Schwule«. Die »Heteros« wolle man zwar »im Hinterkopf behalten«, sie seien jedoch nicht mehr die primäre Zielgruppe. Die Tunten sollen nicht mehr »nur kreischig und nett«, sondern »integriert« auftreten.

»Als schwules Programm sind wir schon an sich ein Politikum«, sagt Kraft. Ohne Rosa von Praunheim müssen die ehrenamtlichen Mitarbeiter das schwule Magazin nun allein finanzieren. Kostenpunkt pro Sendung: 5.000 Mark. Sponsoren und Werbekunden gebe es inzwischen. Ein gestraffter Talk-Show- Teil, mehr Magazinbeiträge und Vorort-Produktionen aus der Schwulenszene erhöhen seit einigen Folgen Tempo und Attraktivität der Sendung.

»Alles ist zu positiv«, mahnen bereits »offizielle Stellen«, so Kraft. Dort befürchte man eine »Umpolungsgefahr« für Kinder, die — der Golf- und Ehekriege überdrüssig — freitagnachmittags um vier in die heile Schwulenwelt auf dem einstigen DDR-Kanal überlaufen könnten. Nicht nur deshalb erwägen die Macher, das schwule Magazin ausschließlich nach 22 Uhr außerhalb der dreistündigen FAB-Sendeschleife zu plazieren: Kraft wünscht sich für das schwule Programm »gerne etwas mehr Erotik«. Und ohne die Schwulen im Nachmittagsprogramm hätte FAB größere Chancen, demnächst auch über Antenne senden zu dürfen. Doch das Homo- Fenster bleibt: Ab April präsentieren sich in ihm zusätzlich die Lesben — mit den Schwulen im wöchentlichen Wechsel.

Am kommenden Donnerstag läuft die erste Live-Sendung von »Schrill, Schräg und Schwul«. ZuschauerInnen können den Machern dann telefonisch die Meinung sagen. Dabei sollen sie auch gleich einen neuen Namen für das schwule Magazin vorschlagen. »Denn wir waren nie wirklich schrill und schräg«, bekennt André Kraft. Für den besten Vorschlag winkt denn auch eine Reise nach Gran Canaria. Marc Fest