Kuwait läßt die Ägypter abblitzen

Ägypten fühlt sich um die Früchte seiner Kriegsbeteiligung betrogen/ In Kuwait werden auch Ägypter als „Kollaborateure“ gefoltert  ■ Aus Kairo Ivesa Lübben

„Wir begrüßen die Helden Ägyptens!“, verkünden die Parolen auf den bunten Spruchbändern, die über den breiten Boulevard im Kairoer Vorort Gizeh gespannt sind. Von überallher strömen Schulkinder in blauen Uniformen; sie schwenken ägyptische Fähnchen und Bilder von Präsident Mubarak. Irgendwo aus dem Gewühle tönt Marschmusik einer Militärkapelle. Dann rollen zwei Busse mit Soldaten heran. Die etwas älteren Jugendlichen stürmen los, hängen sich an die halbgeöffneten Seitenfenster und versuchen, weiße Zettel mit der Bitte um Autogramme durch die Fensterschlitze zu schieben. Ihre Idole sind die ersten am vergangenen Mittwoch vom Golf zurückgekehrten Soldaten, die jetzt überall im Land ihre Aufwartung machen. „Die Ägypter haben uns das Lächeln wiedergegeben“, beglückwünscht der kuwaitische Botschafter in Kairo die Heimkehrer.

Vielen Ägyptern jedoch ist wenig zum Lachen zumute, wenn sie an Kuwait denken. In einem dramatischen Appell hat die ägyptische Menschenrechtskommission auf die Verletzung von Menschenrechten in Kuwait aufmerksam gemacht, von denen auch die in Kuwait lebenden ägyptischen Fremdarbeiter betroffen sind. Von den Irakern wurden sie wegen der Beteiligung ihrer Regierung am Golfkrieg verfolgt, und heute werfen die Kuwaitis vielen von ihnen Kollaboration mit der Besatzungsmacht vor. Vielen von ihnen wurden während der irakischen Besatzung die Papiere abgenommen. Heute leben sie in ständiger Angst, bei Personenkontrollen durch kuwaitische Soldaten oder Mitglieder der Widerstandsbewegung festgenommen und gefoltert zu werden. Der Menschenrechtskommission sind die Namen von mindestens fünf Ägyptern bekannt, die auf Polizeistationen in Kuwait zu Tode gefoltert wurden. Ihnen waren zum Teil Ohren, Nase und Lippen abgeschnitten worden. Andere Foltermethoden, von denen ein Abgesandter der Menschenrechtskommission nach seiner Rückkehr aus Kuwait berichtete, sind das Ausstechen der Augen mit Löffeln und das Verbrennen von empfindlichen Hautteilen mit Bügeleisen. In die offenen Wunden werde manchmal Pfeffer gestreut, berichteten Ägypter nach ihrer Freilassung.

Beim Wiederaufbau Kuwaits gibt's für Ägypten nur ein Trostpflaster

Mehr als 300 Ägypter befinden sich noch immer in kuwaitischen Gefängnissen. Die ägyptische Regierung schweigt sich bislang zu den Anschuldigungen aus. „Ägypter haben den Kuwaitis ihr Land befreit, und nun zahlen sie es uns durch Mord und Folter heim“, sagt Hassan Fadi, einer von Hunderten von Ägyptern, die jeden Tag vor der kuwaitischen Botschaft in Kairo zwischen Wut und Hoffnung auf ihre Genehmigung zur Rückkehr nach Kuwait warten. Vor dem 2. August arbeiteten mehr als 150.000 Ägypter in Kuwait. Die meisten flohen aus Angst vor dem Krieg nach Kairo, wollen aber so schnell wie möglich wieder zurück, denn am Nil gibt es keine Arbeit. Vorletzten Montag jedoch erklärte der kuwaitische Staatsminister Al- Awadi alle Arbeitsverträge der ausländischen Arbeitnehmer in Kuwait für ungültig.

Abdel Nasser Ibrahim, bis zur irakischen Invasion Angestellter beim kuwaitischen Innenministerium, hat eigentlich einen Arbeitsvertrag bis Ende 1991. Nach zehn Dienstjahren hätte ihm während seines Zwangsurlaubs eine monatliche Aufwandsentschädigung von 12 Prozent seines letzten Gehaltes zugestanden. Aber er hat keinen Pfennig davon gesehen. Vergessen scheint das Versprechen Al-Awadis während seines Kairoer Exils, daß es in Zukunft keine Unterschiede mehr zwischen Ägyptern und Kuwaitis geben wird. Erhielt jeder Kuwaiti, der während der irakischen Besetzung in Kuwait geblieben war, eine Entschädigung von 300 Dinar, so gingen die Ägypter leer aus. Und auch das demütigende System der Bürgschaften scheinen die Kuwaitis nun doch nicht abschaffen zu wollen. Danach braucht jeder Ausländer, solange er nicht das Privileg eines amerikanischen oder westeuropäischen Passes besitzt, einen persönlichen Bürgen, dem er völlig ausgeliefert ist. Entzieht ihm dieser die Bürgschaft, bedeutet das sofortige Ausweisung — oft bleibt nicht einmal die Zeit, die Koffer zu packen.

Die Ägypter hatten darauf gehofft, daß nach der Golfkrise Kuwait und Saudi-Arabien die Türen ihres Arbeitsmarktes auch für die halbe Million Ägypter öffnen würden, die aus dem Irak geflohen sind. Doch die Golf-Araber scheinen billige Arbeiter aus Asien kombiniert mit überlegener Technologie aus dem Westen vorzuziehen. Diese bittere Erfahrung mußte auch der ägyptische Bauminister Kafrawi machen, der vor zwei Wochen mit einer Delegation von zwei Dutzend Wirtschaftsfachleuten Kuwait besuchte, um über den Anteil ägyptischer Firmen beim Wiederaufbau Kuwaits zu verhandeln. Kronprinz Saad Abdallah ließ ihn mit der Bemerkung abblitzen, die Ägypter seien zu spät gekommen. Einziges Trostpflaster: die Renovierung von 18 Schlössern der Herrscherfamilie. Dabei hätten es die Ägypter sehr viel billiger gemacht als Briten und Amerikaner, die sich die lukrativsten Verträge unter den Nagel gerissen haben, meint Kafrawi in einem Interview mit der Zeitschrift 'Al Mussawar‘ von Freitag. Die geschätzten Wiederaufbaukosten von 50 Milliarden Dollar hält er für Quatsch. Der Wiederaufbau der Suezkanal-Zone mit immerhin 1,5 Millionen Einwohnern hätte gerade eine halbe Milliarde ägyptische Pfund gekostet. „Ohne die Ägypter hätten die Kuwaitis ihr Land doch nicht wiedergesehen. Erst Ägypten hat dem Krieg die nötige arabische Legitimität verliehen“, sagt Bauminister Kafrawi verbittert. Die meisten Ägypter haben den Kurs ihres Präsidenten während der Golfkrise unterstützt. Aber langsam macht sich das Gefühl breit, daß ihnen das nichts gebracht hat. Das droht die seit dem Wahlboykott der Opposition im letzten November ohnehin schon geringe innenpolitische Legitimationsbasis der Mubarak-Regierung langfristig weiter zu untergraben.