Anderer Blickwinkel

■ Betr.: "Weiße Herren und schwarze Arschlöcher", taz vom 25.3.91

betr.: „Weiße Herren und schwarze Arschlöcher“,

taz vom 25.3.91

Die berühmte Frage, ob ein Glas halbvoll oder halbleer sei, beantwortet sich immer aus dem jeweiligen Blickwinkel. Sicher ist nur, daß beide Antworten richtig sind.

Als eine der Organisationen, die seit vielen Jahren Menschen in den Bürgerkriegsgebieten von Angola und Mosambik unter extremsten Bedingungen helfen, haben wir einen anderen Blickwinkel als taz-Korrespondent Willi Germund.

In der Überschrift zu seiner Reportage aus dem südlichen Afrikia heißt es: „In Angola und Mosambik entscheiden europäische Entwicklungshelfer über Gesundheit und Ernährung, über Leben und Tod der Arikaner.“ So kann man es natürlich auch sehen.

Aber die Leute dort sind ja nicht krank oder unterernährt, weil die europäischen Entwicklungshelfer vor Ort tätig werden, sondern weil seit Jahren die Terrororganisation RENAMO in Mosambik und die UNITA in Angola gegen die jeweiligen Regierungsarmeen kämpfen. Vor allem die RENAMO ist berüchtigt dafür, daß sie alles kurz und klein schlägt, was sie vorfindet und damit eine Versorgung des Landes unmöglich macht.

Wenn in Angola und Mosambik Menschen aus solchen Kriegsgebieten fliehen, um in anderen Regionen Schutz und Sicherheit zu suchen, dann halten wir es für eine unabdingbare humanitäre Notwendigkeit, Nahrungsmittel, Medikamente und ähnliches zur Verfügung zu stellen, damit die Opfer nicht krepieren. Die Entscheidung über Leben und Tod treffen die bewaffneten Terrorkommandos und sonst niemand. Schuld an der Misere sind doch wohl nicht die Helfer.

Im übrigen haben wir nicht den Eindruck, daß die Spender geizig werden, wenn der Hunger mit mittel- und langfristigen Projekten bekämpft werden soll. Ganz im Gegenteil, die Spender sind nach unserer Erkenntnis eher bereit, Geld für den landwirtschaftlichen Aufbau zu spenden, als permanent in Nothilfeprogramme zu investieren. Das mag auch etwas mit der Informationspolitik der einzelnen Organisationen zu tun haben. Man kann Spender nämlich auch sachgerecht informieren und aufklären.

Gewiß ist es einfacher, mit Katastrophenmeldungen in die Medien zu kommen, aber das ist ein spezifisches Problem der Medien und nicht der Spender. Man erfährt derzeit kaum etwas über die permanente Katastrophe Afrikas, das wirtschaftliche Ausbluten des Kontinents durch Schuldenkrise, Zinszahlungen und Rohstoffpreisverfall. Afrika hat in den letzten zehn Jahren alleine über den Rohstoffpreisverfall 150 Milliarden US-Dollar verloren und mußte im gleichen Zeitraum etwa 48 Milliarden DM Zinsen an die reichen Nationen zahlen. (Das ist die eigentloiche Katstrophe Afrikas.)

Aber zurück zum taz-Bericht: Willi Germund schreibt, daß wegen des Bürgerkriegs in Mosambik die Experten Maputo nicht verlassen dürften. Sie würden statt dessen mit ihren „teuren Mercedes-Jeeps auf den asphaltierten Straßen der mosambikanischen Hauptstadt herumkutschieren“. Wenn man als Korrespondent selbst nur in der Hauptstadt rumkutschiert, mag man diesen Eindruck bekommen. Die taz-Leser aber sollten mehr wissen:

Fünf unserer sechs deutschen Kollegen leben und arbeiten in den Dörfern und sorgen vor Ort dafür, daß nicht nur Nahrungsmittel verteilt werden, sondern auch Saatgut, Ackergeräte und ähnliche Dinge, damit die Bürgerkriegsflüchtlinge im eigenen Land, die nach Germunds Angaben angeblich alle in Lagern leben, sich wenigstens teilweise selbst versorgen können. Und statt der zitierten Mercedes-Jeeps werden MAN- LKWs aus Bundeswehrbeständen und W 50-Fahrzeuge der früheren NVA für den Transport eingesetzt. Diese nun für humanitäre Zwecke genutzten ehemaligen Kriegsgeräte haben wir von den ehemals beiden deutschen Armeen geschenkt bekommen.

Wir geben dem taz-Korrespondenten gerne die Möglichkeit, bei seinem nächsten Besuch in Angola oder Mosambik einen Hilfskonvoi über verminte Straßen zu begleiten, statt „im feinen Haus mit Swimming- Pool und Hausbediensteten“ einen nur sehr eingeschränkten Eindruck der Wirklichkeit zu gewinnen.

Bleibt die philosophische Frage, ob sich die europäischen Helfer in Kriegsgebieten der sogenannten Dritten Welt schuldig machen, weil sie „zur Kriegsverlängerung“ beitragen könnten. Doch, doch, solche Fragen dürfen nicht nur, sondern müssen sogar gestellt werden. Da liegt auch die Frage nahe, wer denn überhaupt Interesse an diesen Kriegen hat?

Die RENAMO wie die UNITA wurden und werden seit Beginn ihrer Existenz von Südafrika, den USA und anderen Staaten unterstützt. Die Existenz der Kriege ist doch wohl am ehesten durch Einstellung von Waffenlieferungen, ganz gleich, woher sie stammen, zu vermeiden und nicht durch die Einstellung von Hilfsmaßnahmen für die Opfer, die nichts weiter wollen, als in Ruhe und Frieden ihrer Arbeit nachgehen zu können. Mit ein paar gescheiterten Ofenprojekten werden sie leben können. An erfolgreichen Militäroperationen gehen sie zugrunde. Das ist der Skandal. Holger Baum Pressereferent der Deutsche Welthungerhilfe e.V., Bonn