Riesengebiß mit Korrekturspange

■ Lehrreiche Begehung des runderneuerten Hilferding-Platzes samt Kunstwerk

Bald ist er komplett plattgeklöppelt, der Pflasterstrand vor der Finanzbehörde, genannt Rudolf- Hilferding-Platz. Dann ist feierliche Einweihung, auch des zugehörigen Kunstwerks, und unweigerlich werden dabei Worte fallen wie Niedergang und Aufbau und Symbolwert. Dem Kunstwerk, Gegenwert: 120.000 Mark, geschieht das durchaus recht.

Hans-Wolfgang Lindemann, dem es eingefallen ist, sich HAWOLI zu nennen, dieser ist der Kunstwerktätige. Er hat dem Finanzse

hierhin bitte das Foto:

vorn drei Säulen mit

Spange oben

Große Monumente für kleine nette GedankenFoto: SHe

nator CLAGROBLI damit kongeniale Hackklötze vor die Tür gestellt. Da streben drei blankpolierte Säulenquader himmelwärts, und sind doch in Hab-Acht-Haltung gezwungen von einer Art Zahnspange. Etwas näher zum Portal hin liegen, ebenfalls aus rötlichem Granit, vier unbehauene Rohlinge neben vier schwarzen Podesten. Einer der Pfeiler liegt halb über den Nachbarn gekeilt. Das bedeutet sicherlich: Holperdiepolter.

„Man muß das so'n bißchen symbolisch sehen“, sagt Herr Meyer- Rockstedt von der Kulturbehörde. Im Jahre 1929 war's, zu Zeiten von Krise und Crash, da taumelte des Finanzsenators Vormieterin, die „Nordwolle“, in den Konkurs und riß auch noch die Darmstädter Bank mit. Deswegen, so Meyer-Rockstedt, die

„gefallenen Säulen“.

Vor Ort eine Finanzbehördenmitarbeiterin, befragt zu den in Konkurs gefallenen Säulen, erschrickt: „Sollen die so liegenbleiben?“ Der nächste Passant rezipiert deren Anordnung mit Skepsis: „Nein, hingefallen sieht anders aus, die wären ja wohl zertrümmert“. Wirklich sieht das Arrangement etwas verrenkt aus. „Von wegen Sturz! Verlassene Baustelle!“ sagt eine mit Einkaufstüte.

Es ist unter Künstlern beliebt, Gedanken, speziell des Niedergangs, von Tonnengewicht zu äußern, die selbst der Gemeine Gabelstapler nicht mehr hochkriegt. Aber die Leute! Sehen gleich: das ist nicht echt. „Und im Sommer sitzen die Penner drauf!“ An den überhaupt nicht besitzbaren drei Standpfeilern nebenan drückt sich noch machtvoller des Künstlers Wille zum Format aus. So ein Triptychon fällt keinem hergelaufenen Bildhauer ein. Nur einem Hauer von Buildings im Empire- State-Format.

Jawohl, der Wiederaufbau, der berühmte, nach diesem, na, Zusammenbruch, und umgekehrt! Das sind so kleine nette Ideen von nebenan, und HAWOLI hat ihnen, die sich das nie erträumt hätten, monumentale Denkmäler errichtet. Eine Spaziergängerin hätte auf Befragen einen Gegenvorschlag gewußt: „Einen kleinen Grobecker!“ Schon auch aus Granit, zum Draufbeißen. Manfred Dworschak